Corona-Serie Teil 2: Borussia als Musterschüler

Nachdem wir im ersten Teil die Rolle der DFL beleuchtet haben, schauen wir im zweiten Teil unserer Corona-Serie genauer auf die aktuelle Situation bei unserer Borussia. Wenn wir uns vorstellen, dass die Corona-Krise vor etwa 20 Jahren passiert wäre, stünde unser Klub mit Sicherheit in vorderster Reihe der gegen eine Insolvenz kämpfenden Vereine. Wie einige andere Traditionsvereine wäre Borussia damals auf Hilfen der Verbände oder anderer Vereine angewiesen. Glücklicherweise wurde Borussia seit dem Jahrtausend-Wechsel kontinuierlich gesundet und nachhaltig geführt – wovon sie aktueller mehr denn je profitiert.  

Vor einigen Monaten, als noch niemand über ein neues Virus gesprochen hat und die überragende Hinrunde der Borussia Thema in fast allen Medien war, gab Geschäftsführer Stephan Schippers eines seiner wenigen Interviews. Anlässlich seines zwanzigjährigen Dienstjubiläums stand er mehr als eine Stunde den Kollegen vom Poadcast „Rasenfunk“ Rede und Antwort. Ein Thema, das sich mit Blick auf die vergangenen zwanzig Jahren nicht vermeiden lässt, ist die überragende wirtschaftliche Entwicklung des Vereins.

Schippers ist hauptsächlich dafür verantwortlich, dass der hohe Schuldenberg in diesem Zeitraum (trotz einiger sportlicher Rückschläge) kontinuierlich abgebaut wurde. Die Devise, die übrigens schon zu Zeiten von Helmut Grashoff galt, ist relativ einfach: Borussia versucht stets nur so viel Geld auszugeben, wie auch wirklich zur Verfügung steht. Das klappte fast immer außer in einem Anflug von Größenwahn eines holländischen Generals. Trotz (vor allem zu Beginn) wechselnden Sportdirektoren perfektionierte Schippers seine Maxime allerdings: Immer öfter investierte Borussia in Steine statt nur in flüchtige Beine. Zuvor hatte der Verein mit dem Stadionbau vor der großen WM-Welle bereits vergleichsweise ein Schnäppchen gemacht und so konnte in den letzten Jahren kontinuierlich das Vereinsgelände erweitert werden. Jeder regelmäßige Fußball-Manager-Spieler wäre neidisch bei dem Tempo, das Borussia vorgab. Und das alles im eigenen Besitz!

Dank Max Eberl: der sportliche Höhenflug als zweites Standbein

Im Hinblick auf die aktuelle Corona-Situation war es deshalb vor allem hilfreich, durch das Erwirtschaften von Gewinnen, Eigenkapital aufzubauen. Die laufenden Kosten kann Borussia somit länger ohne zusätzliche Notkredite decken als Vereine mit einer geringen Eigenkapitalquote. Die Eigenkapitalquote lag in der Geschäftsbilanz 2018 bei 41.2% (91,2 Mio €), was laut Investmentbänkern ein ziemlich solider Wert ist. Somit steht Borussia wohl relativ weit hinten in der Liste der Vereine, die aktuell um ihre Zahlungsfähigkeit fürchten. Mittlerweile dürfte die Markenpräsenz auch so groß sein, dass sich niemand Sorgen machen muss, in der nächsten Saison ohne Hauptsponsor aufzulaufen!

Neben der wirtschaftlichen Gesundung entwickelte sich der Verein aber auch sportlich deutlich weiter. Seit der Relegation 2011 wurde in jedem Jahr ein einstelliger Tabellenplatz erreicht. Das schafften sonst nur die Bayern und Borussia Dortmund. In fünf Saisons führte der Weg sogar in Europa- und Champions League. Ein stabiler Höhenflug, der vor allem mit einem Namen verbunden ist: Max Eberl.

Eberl schafft es jedes Jahr die Abgänge von Leistungsträgern mit Spielern zu kompensieren, die in das Gehaltsgefüge des Vereins passen, eine finanzierbare Ablöse kosten, Entwicklungspotenzial haben und dabei auch meist charakterlich einwandfrei sind. 

Ein Paradebeispiel – auch in der Krise

Allerdings haben sich durch den sportlichen Erfolg und durch die allgemeine wirtschaftliche Explosion des Fußballgeschäftes die Gehaltskosten deutlich gesteigert. Im Geschäftsjahr 2018 kostete der Spielerkader für die 1. Bundesliga wohl ca. 70 Mio € und stellt damit 40% der Gesamtkosten dar. Zum Vergleich: mit den Fernsehgeldern nahm Borussia im gleichen Zeitraum auch ca. 70 Mio € ein. Die Gehälter haben sich also auch in Gladbach zu einem ziemlichen Batzen Kohle entwickelt.

Doch gerade in der Krise zeigt sich, dass Eberls Scouting-Strategie im Hinblick auf Charakterstärke einen großen Wert hat. Während andere Vereine zum Gehaltsverzicht „gezwungen werden“ (siehe Barcelona) oder Wochen brauchen, um sich zu einigen (siehe Premier League), war Borussia der erste Verein in Deutschland, der geschlossen einen Schritt nach vorne machte und so viele Arbeitsplätze sicherte. Ein Schritt der bei weitem nicht selbstverständlich ist. Wie viele Bank-Manager haben in der Finanzkrise fette Boni kassiert, obwohl Mitarbeiter entlassen wurden?

Natürlich schmerzen die finanziellen Einbußen in diesen Gehaltsklassen nicht. Der Verzicht ist es vielmehr ein Akt der Solidarität, der für viele derzeit als selbstverständlich wahrgenommen wird. Wir wollen daher die Aktion an sich auch nicht besonders betonen. Vielmehr fällt auf, dass Führung und Mannschaft sehr schnell, geschlossen und ohne irgendwelche Diskussionen diesen Weg gegangen sind. Dass dies wie eben erwähnt nicht überall so lief, sagt viel über das Solidaritätsverständnis aus, das im Fußball wie in vielen anderen Wirtschaftsbereichen häufig verloren geht.

Die Familie hält zusammen

Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt, der Borussia für die Krise rüstet: der Zusammenhalt im Verein. Schon nach dem ersten Geisterspiel im Derby, das laut Schippers ca. 2 Mio. € gekostet hat, verzichteten viele Fans auf die Erstattung des Ticketpreises. Ähnliche Reaktionen dürfte es wohl auch für die weiteren Spiele geben. Außerdem hat der Supporters Club mit einer durchaus kreativen Idee für Aufsehen gesorgt. So sollen bei Geisterspielen Fans aus Pappaufstellern im Borussia Park verteilt werden. Der Andrang war wohl schon in den ersten Tagen zu groß für die Server.

Die Fans sind also definitiv ein Faustpfand für einen Verein wie Borussia. Ein echter Traditionsverein, für den die Anhänger auch in für sie sicherlich nicht ganz einfachen Zeiten zurückstecken. Auch wenn wir den Titel als „familienfreundlichster Verein“ nicht mehr hören können und das Prahlen vor allem unseres Präsidenten damit immer wieder kritisiert haben, zeigt sich in der Krise doch, dass der Klub diesen Titel verdient hat! Natürlich hoffen wir, dass die Borussia-Familie weiter zusammenhält. Allerdings hoffen wir genauso, dass der Verein das Entgegenkommen seiner Fans bei zukünftigen Preisgestaltungen oder neuerlichen Getränkepreis-Erhöhungen berücksichtigt. Tradition ist keine Einbahnstraße. Auch der Klub muss seinen Teil zur großen Familie beitragen!

Fakt ist aber natürlich: Der Fußball muss auch für Borussia irgendwann weitergehen. Ewig reichen die Reserven des Vereins wohl nicht aus, um diese Krise zu überstehen und fehlende Einnahmen durch Fernsehgelder oder Sponsoren auszugleichen. Im Vergleich zu vielen anderen Konkurrenten und der eigenen Situation vor vielen Jahren ist unser Verein aber dank aller Verantwortlichen bestens gewappnet. Das liegt an einem guten finanziellen Polster, der einwandfreien Reaktion durch einen Gehaltsverzicht von Führungsteam, Trainer und der Mannschaft und nicht zuletzt an der Borussia Familie. Somit ist Borussia in vielen Bereichen ein Musterschüler der letzten 20 Jahre. Und trotzdem würden wir uns freuen, bald wieder über die sportlich herausragende erste Saison unter Marco Rose zu sprechen!

Foto zu diesem Beitrag: Ina Fassbender / AFP / Getty Images

Im nächsten Teil der Serie geht es in den nächsten Tagen um die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Fußball-Fans und den Umgang mit ihnen. Bleibt dabei und seid gespannt. Wir wünschen Euch von Herzen zunächst schöne Ostertage!

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