Dank je wel, Arie!

Am gestrigen Mittwoch gab Borussia bekannt, dass der Klub den Vertrag mit U23-Trainer Arie van Lent nicht verlängern wird. Damit endet eine Ära. Für unseren Autor ist der Abschied ein bitterer Schlag, denn der gebürtige Holländer ist für ihn schlichtweg einer der größten Helden.

Es war einer dieser elendig heißen Sommer, damals im Juli 2001. Kaum über die Tischkante konnte ich gucken und die Welt verstand ich auch noch nicht wirklich, doch als es hieß: „Ab in den Sommerurlaub mit Oma und Opa“ kannte meine Freude keine Grenzen. Endlich Ferien, endlich mal weg von zu Hause. Jeden Tag mit Opa kicken und dank des Kicker-Bundesliga-Sonderheftes schon einmal die neusten Trikots bewundern. Ach, was für eine schöne Zeit!

Doch so ganz konzentrieren konnte ich mich in den zwei Wochen auf Pellworm nicht, denn neben roter Grütze mit Vanilleeis, den unendlichen Weiten des Wattenmeers und der Bolzerei auf dem Deich, hatte ich ein nahes Ziel: Endlich wieder meine Borussia erstklassig zu sehen. Kurz zuvor war sie nach zwei Jahren Zweitklassigkeit aufgestiegen und für mich kleinen Steppke war damals klar: Mein Mythos kehrt zurück!

Echter Knaller zum Auftakt

Auch Opa hatte wieder einmal vorgesorgt und Tickets für den ersten Spieltag besorgt. Es gab gleich einen echten Knaller: Der aktuelle Champions-League-Sieger Bayern München gab sich die Ehre am Bökelberg. Die Auslosung hätte kaum besser sein können – auch wenn es sportlich aussichtlos schien. Am Morgen des 28. Julis machten wir uns also in aller Hergottsfrühe auf, um die knapp 600 Kilometer von der Nordsee bis an den Niederrhein zu meistern.

Mehrere Stunden später, am Fuße des Bökelbergs, hätte ich für den Moment kaum glücklicher sein können. Meine Borussia, mein Stadion, mein geliebter Wellenbrecher – da habe ich euch wieder. Eng an eng reihte sich die Anhängerschaft auf den Tribünen und als um kurz vor halb vier die Mannen um Stiel, Pletsch und Hausweiler das Geläuf betraten, hätte ich mir kaum vorstellen können, dass nur knapp 30 Minuten später der Jubel noch größer sein würde.

Ein Tor für die Ewigkeit

Es war die 23. Spielminute, als der frühere Münchener Marcel Witeczek an den Ball kam. Elegant wie eh und je verschaffte er sich nahe des Mittelkreises Platz und spielte die Pille genial in den Lauf von Borussias damaliger Nummer 9. Die nahm den alten Derbystar direkt mit links und schweißte die Kugel mit schierer Urgewalt vorbei an Oliver Kahn in die Maschen. Ein Tor der Ekstase, ein Tor des Monats, ein Tor, das einem gewissen Arie van Lent Heldenstatus verlieh – in jedem Fall für mich kleinen Pimpf und mit Sicherheit auch für Tausende andere Borussen.

Oliver Kahn ist geschlagen. Arie van Lent dreht zum Jubel ab.
(Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Dass wir das Spiel letztlich gewannen, war für mich damals weder begreifbar und zugegeben eher eine Randnotiz. Vergessen war der Urlaub an der Nordsee, vergessen waren die schönen Stunden auf dem Bolzplatz, denn mein neuer Held war geboren: Arie van Lent. In den Folgetagen wurden sämtliche Artikel zu dem schlacksigen Angreifer aus Opheusden ausgeschnitten und an die Wand gehangen. Mehrfach spulte ich die VHS-Kassette mit der RAN-Sendung vor und zurück, nur um mir in Dauerschleife das Tor nochmal anzusehen.

Heldenstatus auf alle Zeiten

Auch in den Folgewochen war mein Spieltag immer dann gerettet, wenn „mein Arie“ getroffen hatte. Selbst wenn die Borussia das Spiel verlor, es war alles nicht so schlimm, solange er traf. Dass er das auch in gesunder Regelmäßigkeit tat, machte mir die Sache umso leichter. Allein in der Saison 2001/2002 waren es 14 Treffer; Insgesamt kam er im Dress der Borussia auf 62 Tore und 22 Vorlagen – eine gute Bilanz, wenn man bedenkt, wie unsere Borussia damals kickte.

Doch nicht nur in mein Herz hat er sich geschossen. Auch dem Bökelberg verlieh er eine weitere, besondere Note: Einmal hat er mal den Effzeh mit einem Dreierpack im Alleingang besiegt. 2004, kurz vor seinem Wechsel zu Eintracht Frankfurt, schoss er noch das letzte Tor im altehrwürdigen Stadion. Schon damals war für mich klar: Das wird nur ein Abschied auf Zeit sein, wir werden uns sicher noch einmal wiedersehen – und ich sollte Recht behalten.

Sportlich nachvollziehbare Entscheidung

Knapp zehn Jahre später kehrte van Lent dann nämlich tatsächlich zurück zur Borussia, diesmal an die Seitenlinie. Er wurde Trainer der U19 und später der U23. Nun ein zweiter Abschied, der sich ehrlich gesagt abzeichnete. Mit einem Punkteschnitt von 1,64 in über 140 Spielen als Trainer der U23 ist die Bilanz van Lents solide, aber mehr auch nicht. Außerdem passt van Lents Spielweise ehrlicherweise nur sehr bedingt zur neuen Klub-Philosophie unter Marco Rose. Und abschließend haben zig Beispiele anderer Vereine gezeigt, dass der Trainer der zweiten Mannschaft jederzeit in der Lage sein müsste, den Cheftrainer zu ersetzen. Ob ich das Arie voll zutrauen würde? Ich weiß es nicht!

Deshalb kann ich die Entscheidung gegen meinen Helden leider absolut nachvollziehen und finde die offizielle Begründung, Borussia wolle “einen neuen Reiz für die Mannschaft setzen” (NLZ-Direktor Roland Virkus) verständlich. Und zum Glück hat auch Arie selbst offen zugegeben: “Auch ich hatte das Gefühl, dass es für mich an der Zeit wäre, noch einmal etwas anderes zu machen!” Eine vernünftige und saubere Trennung also – wie man sie im Fußball leider immer seltener erlebt!

Und trotzdem möchte ich, dass Arie nicht vergessen wird! Ich werde bei seinem Namen noch viele weitere Jahre in Erinnerungen schwelgen. Auf den Stürmer und den Coach lasse ich nichts kommen. Dank vereinzelter persönlichen Begegnungen kann ich den Worten von Virkus nur zustimmen: Ein sympathischer Kerl, der sich mit unserer Borussia vollends identifiziert hat. Auch deshalb sage ich aus vollem Herzen und auch mit einem weinenden Auge: Bleib wie Du bist! Du bist ein wahrer Borusse! Danke für Alles und lott jonn, Arie.

Foto zu diesem Beitrag: Michael Kienzler/Bongarts via Getty Images

2 Gedanken zu „Dank je wel, Arie!

  • 29. Februar 2020 um 23:39
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    Danke Arie für die vielen tollen Jahre beim VfL. Schade, dass ihn niemand der sonst so fleißigen Kommentierer hier würdigt. Naja, die meisten werden ihn wohl auch nicht kennen. Hat schließlich schon lange vor 2013 bei Borussia gespielt.

    Antwort
  • 2. März 2020 um 20:31
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    Tschüss Arie, bist und bleibst ein toller Typ! Das 3:1 gegen die Löwen im letztem Spiel auf dem Bökelberg unvergessen. Arie, Arie, Arie van Lent!!!

    Antwort

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