Das RB-Duell – zwischen Protest und Normalität!

Samstagabend trifft Borussia auf RB Leipzig. Über die sportliche Bedeutung des Spiels wurde bereits viel geschrieben. Der Tabellendritte reist zum Tabellenfünften, fünf Spieltage vor Schluss. Da ist Zunder drin! Wir haben uns deshalb eher die fanpolitische Seite des Duells gegen die umstrittenen Leipziger angeschaut und uns dazu in der Gladbacher Fanlandschaft umgehört. 

Grundsätzliches müssen wir zu Beginn dieses Textes wohl nicht erwähnen. Der Vollständigkeit halber trotzdem kurz: Das „Modell RB“ sollte eigentlich allen, die in den vergangenen Jahren irgendwie am Fußballgeschehen teilgenommen haben, geläufig sein. Das viel diskutierte Kürzel „RB“ steht offiziell für Rasenball, ist aber nichts weiter als ein Trick, den Firmennamen Red Bull im Vereinsnamen unterzubringen. Und zwar ohne gegen die Verbandsstatuten zu verstoßen, nach denen Vereinsnamen keine Werbung enthalten dürfen. 

Red Bull macht keine Werbung mit einem oder für einen Verein, wie es etwa die Postbank auf der Brust unserer Borussia tut. Red Bull ist der Verein! Das sorgt seit Jahren für Diskussionen. Die radikalen Kritikerinnen und Kritiker sehen durch RB endgültig eine rote Linie der Kommerzialisierung überschritten. Dagegen steht die Position, RB bringe Bundesligafußball in den Osten Deutschlands, der sonst weitgehend von der Landkarte der oberen Ligen verschwunden ist. Irgendwo dazwischen befindet sich eine Fraktion, die dem ganzen unentschlossen oder gleichgültig gegenübersteht und keinen entscheidenden Unterschied zwischen GmbHs, AGs, durchgestyltem Profifußball und RB erkennen mag.

“Vielleicht ist die Art des Protests nicht kreativ genug!”

Naturgemäß treten die Diskussionen jetzt – kurz vor dem Duell gegen RB – wieder auf die Tagesordnung. Auch weil es einen Protest der aktiven Fanszene geben wird. Die Ultraszene hat dazu gemeinsam mit dem FPMG Supporters Club eine Erklärung veröffentlicht, die rund 80 Fanclubs unterzeichnet haben. Leider blieb die ganz große öffentliche Debatte bisher aus, weil medial weniger über den Standpunkt der Fanszene berichtet wird. So ist zumindest unser Eindruck. Die Rheinische Post hat bis zum Donnerstagabend noch gar nicht über den Protest berichtet. Bei der Spieltagspressekonferenz wurden Max Eberl und Dieter Hecking im Gegensatz zu vergangenen Duellen gar nicht mit der Thematik konfrontiert.

Borussia-Stadionsprecher Torsten „Knippi“ Knippertz ist die Nicht-Berichterstattung bisher zwar nicht explizit aufgefallen, er vermutet aber: „Vielleicht ist oder war die Art des Protests nicht kreativ genug.“ Eine Einschätzung, die wir teilweise ähnlich sehen. Da am Samstagabend nun mit diversen Spruchbändern aus verschiedenen Ecken der Szene zu rechnen ist, wird das wohl eher im Nachhinein zu beurteilen sein. Allerdings hat die gemeinsame Erklärung bisher kaum Aufmerksamkeit über die Fanszene heraus erregt. Als bei einem der letzten Duelle 19 Minuten Protestschweigen angekündigt wurde, war das anders. Dafür gab es allerdings auch Grabenkämpfe in der Fanszene, die bisher ausbleiben. 

Es ist in meinen Augen absolut richtig und legitim, zu zeigen, wenn man mit etwas – in diesem Fall RB Leipzig – nicht einverstanden ist. […] Es kommt natürlich darauf an, WIE man seinen Protest artikuliert bzw. rüberbringt. Sobald es in Richtung Gewalt, Hass und plumpe Beleidigungen geht, bin ich raus. Das find ich kacke, kontraproduktiv und langweilig.

Torsten “Knippi” Knippertz

Möglicherweise, so Knippi, sei das Thema aktuell für die Redaktionen aber auch nicht interessant genug. Tatsächlich könnten die aktuell sportlich und personaltechnisch spannenden Wochen rund um Borussia dem Protest etwas die Show stehlen. Dass das Thema dann in den Hintergrund rückt, liegt vielleicht allerdings auch daran, dass sich das Leipziger Fußballprojekt im dritten Bundesliga-Jahr befindet. Aus Knippis Sicht hätten sich viele Fans eben mit den Leipzigern arrangiert – nach dem Motto „Is‘ eben so!“.

Gleichgültigkeit gegenüber RB Leipzig?

„Erlebte Normalität“ nennt Thomas Ludwig diese erlernte Gleichgültigkeit. Er unterstützt die Fanszenen-Erklärung gemeinsam mit dem FPMG Supporters Club, dem Ludwig bekanntlich vorsteht. Auch wenn er den Begriff der “erlebten Normalität” mit einer gewissen Ironie nutzt, beschreibt er eine aus seiner Sicht immer stärker werdende Gleichgültigkeit vieler Fans der Kommerzialisierung des Fußballs gegenüber: RB sieht er als ein Beispiel für diesen Fußball, das Fans aus seiner Sicht immer wieder zum Anlass nehmen sollten, an die eigenen Ideen einer Fankultur zu erinnern. 

Christian Mayer, der mit seinem Fanclub „Turtles Nordkurve `93“ den Aufruf der Fanszene ebenfals unterzeichnet hat, bestätigt die Eindrücke. Auch er macht einen Gewöhnungseffekt aus. Jeder Protest stumpfe irgendwann mal ab. Er fügt noch hinzu, dass auch Resignation bei vielen Fans eine Rolle spielen könne: „Jeder, dem das Thema unter den Nägeln brennt, wird schon ergebnislose Diskussionen mit Gesprächspartnern geführt haben, die einfach nicht verstehen wollen, warum hier noch einmal eine Grenze überschritten wurde. Wenn man meint, ohnehin nichts mehr ändern zu können, stumpft man halt ab.“

Ist das so? Haben sich vielleicht zu viele Fans schon im dritten Jahr der Bundesligazugehörigkeit mit dem Produkt RB angefreundet? So wie Hoffenheim, Leverkusen oder Wolfsburg ebenfalls längst zum Bundesliga-Inventar gehören? Durchaus möglich und aus unserer Sicht auch eine plausible Erklärung. Trotzdem finden wir den Protest richtig – wie übrigens auch alle unserer befragten Fan-Protagonisten.

Auf der einen Seite der Traditionsverein, der sich die letzten Jahre alles mühsam erarbeitet habe und auf der anderen Seite ein Weltkonzern, der 2006 im Fahrtwind der WM den Fußball in Deutschland als Marketing-Plattform entdeckt hat.

Thomas Ludwig

Sogar Knippi, der als Stadionsprecher in gewisser Hinsicht ein Gesicht des Vereins ist, bezeichnet Protest als „richtig und legitim“. Und das, obwohl er den Gegner mit gemischten Gefühlen sieht. Seine Mutter kommt aus Leipzig und immerhin habe RB Bundesligafußball in den Osten gebracht. Das alte Argument.

Dennoch versteht er den Ärger der Fans, der sich – aus seiner Sicht – aber eher gegen die Verbände richten sollte. Denn die behandelten aus seiner Sicht nicht alle Vereine gleich. Für ihn sind allerdings – und da sind sich erneut alle einig – Proteste nur sinnvoll, solange sie gewaltfrei bleiben.

Damit spielt er vermutlich auf die Angriffe auf Leipziger Fans an, die in Dortmund vor zwei Jahren passierten. Leider fiel unsere Ultraszene wenig später durch ein Plakat auf, das die Angriffe auf Familien verharmloste oder sogar guthieß. Solche Aktionen sind für einen breiten Protest mit Sicherheit kontraproduktiv. Gerne hätten wir in diesem Text auch die Ultraszene zu Wort kommen lassen. Unsere Anfrage einer Stellungnahme wurde aber abgelehnt.

RB Leipzig ist nicht das Problem

Wie geht es nun weiter mit dem Protest und dem Umgang mit RB Leipzig? Für Thomas Ludwig ist die Partie jedenfalls auch weiterhin „kein normales Spiel“, weil es ein Duell der krassen Gegensätze bleibe. „Auf der einen Seite der Traditionsverein, der sich die letzten Jahre alles mühsam erarbeitet habe und auf der anderen Seite ein Weltkonzern, der 2006 im Fahrtwind der WM den Fußball in Deutschland als Marketing-Plattform entdeckt hat.“

Wir unterstützen diese These. Normal ist diese Partie für uns ebenfalls nicht. Ganz im Gegenteil! Der Fußball entwickelt sich in eine gefährliche Richtung und Klubs wie RB haben daran einen entscheidenden Anteil. Dennoch – und das müssen wir uns eingestehen – ist RB Leipzig nicht das Problem. Das Problem sind DFB und DFL, Korruption in Verbänden und ein Fußball, der ausschließlich kapitalistischen Interessen dient. Wer etwas ändern möchte, sollte sich also mit dem gesamten System im und um den Fußball befassen und nicht nur plump auf einem – zugegebenermaßen besonders unsympathischen – Akteur rumhacken.

Dennoch möchten wir für die Thematik sensibilisieren und schließen uns einem kreativen und friedlichen Protest an. Denn eine Begegnung gegen RB bleibt ein guter Aufhänger, um über das System Profifußball zu diskutieren. Abschließend danken wir unseren Gesprächspartnern herzlichst für Ihre Zeit und Mühen. Auf einen Sieg gegen das Kunstprodukt RB Leipzig!

Foto zu diesem Beitrag: Nordkurvenfotos

2 Gedanken zu „Das RB-Duell – zwischen Protest und Normalität!

  • 19. April 2019 um 18:37
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    Mich würde ja mal interessieren, wieviele der Kritiker dieses Dreckskonzerns – auch aus den Reihen der sogenannten “Ultras” – trotz empörter (und m.M.n. alberner wie unwirksamer) Proteste im Stadion dennoch jedes WE ihr ekelhaftes Pissbrühe/Jägermeister Gesöff runterwürgen oder irgendwelche “Events” besuchen, die von diesem asozialen Dreckskonzern aus Österreich gesponsort werden.
    Das einzig gewaltfreie was man tun kann, um dieses Pissunternehmen zu bekämpfen ist, diese ekelhafte Drecksbrühe nicht zu kaufen und jedes Event wo diese Kackviecher auf der Sponsorenliste auftauchen zu boykottieren – alles andere wirksame ist leider leider leider verboten!

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  • 20. April 2019 um 12:24
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    Vorschlag an die DFL:
    Wenn ein Fußballverein nur existiert, weil ein Konzern sich einen Werbeträger erschaffen hat, dann sollte dieser Werbeträger keine Fernsehgelder erhalten, da er sich ja in ein Werbemedium (Bundesliga) einkauft und in erster Linie Brause, Auto oder Medikamente verkaufen möchte und NICHT in erster Line mit dem Fußball Erfolge erzielen möchte.
    Man frage einen Vorstand von Red Bull, VW oder Bayer doch einfach, was Ihnen lieber wäre. Den Konzernertrag in 2020 zu verdoppeln oder die CL 2020 zu gewinnen,
    Dieselbe Frage kann man auch Königs, Schippers, Eberl etc. im Bezug zur Postbank oder den Gewinnen der Borussia stellen und wird eine andere Antwort erhalten

    Deshalb, wer vom Werbeboom der Bundesliga profitieren möchte und wenig zu Attraktivität der Liga beiträgt (Siehe Zuschauerinteresse, gerade Auswärts, als Indikator) sollte nicht von der Wertschöpfung der Liga (Fernsehgelder) partizipieren.

    Wer ähnlicher Meinung ist kann diesen Kommentar gerne per copy and paste überall verteilen.

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