Der Ernstfall.

Wenn Borussia und der 1. FC Köln am Sonntag aufeinandertreffen, stehen auch die beiden aktiven Fanszenen im Fokus. In der momentan aufgeheizten Debatte um Fußballfans und ihre Kultur könnte von diesem Derby ein Zeichen ausgehen. Die Verantwortung ist riesig.

Aus Gladbacher Fan-Sicht gibt es definitiv nur ein Derby: Nur das Spiel gegen den 1. FC Köln elektrisiert in diesem ganz besonderen Maße! Nur dieses Spiel hat das echte Zeug zum in heutiger Zeit viel zu inflationär gebrauchten „Spiel des Jahres“. Nur dieses Spiel ist diese ganz besonders emotionale und heiße Partie.

Gladbach gegen Köln – das ist nicht nur die Rivalität zweier historisch erfolgreicher und geographisch nahgelegener Vereine. Zweier Vereine, die sich seit den 70er Jahren große sportliche Schlachten geliefert haben. Mal um die Meisterschaft, mal um den Pokal – mal im Abstiegskampf, mal in Liga zwei. Es geht um zwei Vereine, die echte Helden hervorbrachten: Günter Netzer, Jupp Heynckes, Rainer Bonhof – Toni Schumacher, Heinz Flohe, Wolfgang Overath. Helden, die tausende Fans begeistern und sie so wortwörtlich in den Bann ihres Vereins zogen. Zur Raute – oder zum Geißbock.

Gladbach gegen Köln – das ist in der Folge auch das Duell zweier extrem großer, traditionsreicher, bunter und vielfältiger Fanszenen. Zweier Fanszenen, die seit Jahren Massen bewegen. Die (mit vielleicht noch fünf anderen Vereinen) zu jedem Bundesligaspiel mindestens 3.000 Anhänger mitbringen. Die in der Lage sind, mal eben in fünfstelliger Stärke nach Rom, Zürich oder Barcelona zu reisen. Die dort beste Werbung für unseren geliebten Fußball und seine einzigartige Kultur betreiben.

Dieser Mix aus sportlicher Rivalität, fantechnischer Emotionalität sowie zahlenmäßiger Mobilisierung macht das Derby zwischen Borussia und dem Effzeh zu diesem ganz besonderen Spiel. Einem Spiel, auf das ganz Fußballdeutschland schaut – wie sonst auf nur noch auf eine Handvoll anderer Spiele. Und genau deshalb steht das komemnde Derby auch unter ganz speziellen Vorzeichen. Denn in der momentan aufgeheizten Debatte um Ultras, Fußballfans, Kommerzialisierung, Kriegserklärungen und Verbands-Versagen, kommt diesem Derby eine ganz besondere Position zu.

In der jüngeren Vergangenheit schaukelte sich das Verhältnis der beiden Fan-Szenen aus Gladbach und Köln immer weiter hoch. Fahnen-Klau, Sonderzug-Abzocke, Kurven- und Kneipen-Besuche, Platzsturm, Bahnhof-Schlägerei, Fanprojekt-Reibereien. Aus gesunder Rivalität wurde über Jahre Feindschaft. Aus Feindschaft wurde Hass. Aus diesem Hass entstanden mehr als gefährliche Rache-Gelüste.

Wir haben immer wieder betont: Wenn sich diese Leute untereinander bekriegen wollen, bitte! Wenn diese Aktionen zu ihrer Art des Fanseins gehören, bitte! Leider wurden aber immer wieder auch unbeteiligte Fans in Mitleidenschaft gezogen. Normalos wurden an Bahnhöfen beraubt, Anhänger auf Anreisewegen attackiert. Das ist nicht nur total hirnrissig und gefährlich, weil es eben „nur“ um Fußball geht. Es schadet auch der Fan-Bewegung, die sich wirklich für die Anerkennung und Rechte aktiver Anhänger einsetzt.

Kommerzialisierung, Eventisierung, Pauschalisierung, Restriktion – viele Fußball-Fans verschiedenster Vereine sehen die Entwicklung des Profi-Fußballs mit Sorge und gehen deswegen vollkommen zu Recht auf die Barrikaden. Ob das gleich mit rhetorischen und symbolischen Kriegserklärungen oder plakativen „Scheiß-DFB“-Wechselgesängen wie im DFB-Pokal sein muss, sei mal dahingestellt. Die Verbände DFB und DFL sind allerdings genau darauf angesprungen. In den vergangenen Monaten hat sich – unter Führung der Ultras – eine breite Allianz formiert, die nun erste Früchte ihrer Arbeit erntet.

Eine neue Debatte ist entfacht. Abseits des hyperventilierenden Boulevards sind zahlreiche seriöse Medien auf den Zug aufgesprungen. Die Tagesthemen berichten über die neue Dialogbereitschaft und kritisieren in einem Kommentar ungewohnt scharf die Verbände. Die ZEIT schreibt extrem starke, weil ziemlich exakt einordnende Artikel über die Problematik. Tagesspiegel, das ZDF, Süddeutsche, Spiegel – wir könnten die Liste weiter fortführen.

Die angestoßene Debatte ist ein kleiner Baustein zum vielleicht letzten Ausweg aus dem vom Fan bereits meilenweit entfernten, immer unrealistischer werdenden und überfrachteten Fußballgeschäft. Und jetzt – zu genau diesem Zeitpunkt – steht eben dieses Derby auf dem Programm. Dieses Spiel, auf das ganz Fußballdeutschland schaut. Dieses ganz besondere Spiel. Aus unserer Sicht genau der richtige Zeitpunkt!

Denn jetzt können alle aktiven Fans zeigen, wie ernst sie es mit ihrem Vorstoß samt Kritikäußerung, Gesprächsaufnahme und vorgetragenen Änderungen (im Sportrecht oder bei der Eventisierung) meinen. Jetzt können sie zeigen, dass sie bereit sind, geschlossen an einer Lösung zu arbeiten und den Fußball in seinem Kern zu erhalten: Als unser Lieblingssport, so wie wir ihn alle irgendwann mal kennengelernt haben. Egal, ob auf dem Bökelberg oder im Müngersdorfer Stadion. Egal, ob im schwarz-weiß-grünen oder rot-weißen Trikot. Egal, ob mit Netzer oder Schumacher hinten drauf.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Protest gegen den DFB soll es geben. Wir unterstützen ihn sogar ausdrücklich und wünschen uns keinesfalls einen Kuschelkurs im Stadion ohne kritische Äußerungen! Die Funktionäre sollen auch weiterhin verstehen, dass es mit einem bloßen Gesprächsangebot nicht gemacht ist. Die Probleme sind derart tiefgreifend, dass es einen inhaltsreichen Protest benötigt. Einen Protest, der DFB und DFL zum Handeln zwingt.

Es soll am Sonntag auch eine rivalisierende Derby-Stimmung geben. Mit Schmähgesängen, die ja irgendwie dazugehören. Mit verbalen Attacken auf den Gegner. Mit Kampf, Einsatz und Leidenschaft auf dem Platz. Was wir aber nicht brauchen, sind Gewaltorgien auf den Anreisewegen, rund ums oder im Stadion. Wir brauchen keine sinnlosen Attacken oder geplante Angriffe – wir brauchen kein „Höher, schneller, weiter“, kein gegenseitiges Hochschaukeln in noch krasseren (Rache-)Aktionen.

Das ist genau das Wasser auf die Mühlen der laut schreienden Opposition – unter Führung des Boulevards und einiger sogenannter „Experten“, die sich nichts sehnlicher wünschen als ein eventisiertes Fußballerlebnis. Mit viel Klatschpape, mit immer teureren Stars, mit personalisierten Sitzplätzen, mit Champagner, mit Helene Fischer. Und eben ohne aktive Fans!

Aus unserer Sicht haben Gladbacher und Kölner Fans an diesem ersten Spieltag deshalb eine extreme Verantwortung! Sie sollten  gemeinsam und kreativ gegen den modernen Fußball, korrupte Verbands-Funktionäre und undurchsichtige -Entscheidungen protestieren. Es geht momentan definitiv um mehr als persönliche Animositäten oder Vereins-Vorlieben. Es geht um die Zukunft unseres geliebten Sports und seiner Fankultur!

2 Gedanken zu „Der Ernstfall.

  • 19. August 2017 um 13:42
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    guter Bericht.dem kann ich nur zustimmen.

    Antwort
  • 19. August 2017 um 14:28
    Permalink

    Sehr guter Bericht. Aber leider wird man die hirnverbranten Typen nicht von unserm geliebten Fußball fern halten können.Ich hoffe einfach nur, daß die Fans aus beiden Lagern fair bleiben und die Idioten keine Chance bekommen, Unruhe zu stiften.Auf ein gutes Spiel und drei Punkte für unsre Borussia

    Antwort

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