Das richtige Zeichen: Der Fußball ist nicht so wichtig!

Am frühen Abend sind Deutschlands Fanszenen mit einer gemeinsamen Stellungnahme an die Öffentlichkeit gegangen. Der Tenor: Der Profifußball in Deutschland sollte aus einer gesellschaftlichen Verantwortung Anfang Mai nicht weitergehen – ob mit oder ohne Fans. Aus unserer Sicht bringen es die Fanszenen damit auf den Punkt. Denn: Der Fußball ist nicht so wichtig! Ein Kommentar.

In den vergangenen Wochen und Monaten hat das breite Bündnis der aktiven Fan- und Ultraszenen, zu dem nahezu alle relevanten Gruppierungen der ersten drei Ligen zählen, schon mit einigen Stellungnahmen für Aufsehen gesorgt: egal ob zur Causa Hopp, den Klüngeleien beim DFB oder der Forderung nach einer Legalisierung von Pyrotechnik. Selten standen wir als MitGedacht.-Redaktion aber deutlicher hinter einer dieser gemeinsamen Stellungnahmen. Weil sich die Fans und Ultras zum Thema Geisterspiele und dem Umgang der Verbände mit der Corona-Situation zurecht eindeutig positioniert haben und richtige Forderungen stellen.

Fanszenen benennen Probleme

Die Fanszenen machen in ihrem Schreiben deutlich, dass es keine “Lex Bundesliga” geben dürfe. Der Fußball könne keine Sonderbehandlung erwarten. Schließlich sei er nicht systemrelevant. Das sind Krankenhäuser und Arztpraxen, sogar einige Geschäfte und das öffentliche Leben. Dort brauchen die Menschen beispielsweise Corona-Tests, dort muss die Normalität schneller zurückkehren. Danach kann man dann über Unterhaltungszweige wie den Fußball nachdenken. Eine Meinung, die wir teilen!

Darüber hinaus weist die Stellungnahme auf “tieferliegende Probleme” des Fußballs hin und wirft die Frage auf, wieso trotz erwirtschafteter Millionen im Profifußball “keinerlei Nachhaltigkeit” bestehe. Stattdessen: Absolute Abhängigkeit von TV-Geldern. Es fehle seit Jahren an Solidarität zwischen den großen und kleinen Vereinen. Die komplette Stellungnahme könnt ihr hier lesen.

Insgesamt stellt das Bündnis der Fanszenen klare Forderungen an Vereine und Verbände:

  • Das Vorhaben, die Bundesliga in Form von Geisterspielen im Mai fortzuführen, dürfe nicht umgesetzt werden.
  • Die Lage müsse sachlich analysiert und die totale Abhängigkeit von TV-Geldern müsse ein Ende haben.
  • Stattdessen solle die Lösung maximal solidarisch sein – unter Vereinen dürfe es keine Krisengewinner- oder Verlierer geben.
  • Vereine und Verbände müssten sich endlich an sehr grundlegenden Debatten darüber beteiligen, wie der Fußball nachhaltiger und krisensicher gestaltet werden könne.
Die Analyse der Fanszenen trifft es

Aus unserer Sicht trifft die gemeinsame Stellungnahme der aktiven Fanszenen den richtigen Ton. Denn mal ehrlich: Wie ist es gesellschaftlich zu vermitteln, dass kleine Restaurant- und Gastronomiebetriebe weiterhin geschlossen bleiben, während Fußballspiele ausgetragen werden? Diese Betriebe kämpfen mit viel kleineren Mitteln ums Überleben und verschwinden wohlmöglich gänzlich. Der Fußball wird aber immer bestehen bleiben vielleicht in abgespeckter Form. Aber wäre das so viel schlechter? Deshalb kommt die Stellungnahme auch zu dem aus unserer Sicht einzig richtigen Schluss: Eine Aufnahme des Spielbetriebs Anfang Mai würde bedeuten, dass der Fußball sich von anderen Teilen der Gesellschaft entkoppelt.

Kritiker würden jetzt vermutlich argumentieren, diese Abkapselung sei doch ohnehin längst vonstatten gegangen. Das ist richtig und die schmerzhafte Wahrheit. Der Fußball darf sich aus unserer Sicht gerade jetzt trotzdem nicht über andere Bereiche der Gesellschaft stellen und wichtiger nehmen als er ist. Sollte das doch der Fall sein, müssen wir mit den ersten Bundesliga-Spielen auch andere Wirtschaftszweige wieder hochfahren. Andere große deutsche Konzerne müssten ihre Belegschaft sofort wieder aktivieren dürfen unter strengen Auflagen natürlich. Solange die Politik beraten von der Wissenschaft das nicht für geboten hält, sollte auch der Fußball seine Füße still halten und sich solidarisch zeigen.

Wie viel Besonderheit verdient der Fußball?

Der Fußball nimmt sich mit seinen Plänen viel zu wichtig. Angeblich sollen bis zu 140 Menschen an der Durchführung eines Bundesligaspiels beteiligt sein. Dürfen dann auch andere Treffen von über 100 Leuten wieder stattfinden? Können wir uns ab Anfang Mai endlich wieder im Park mit unseren Freunden zum Pöhlen und Biertrinken treffen freilich mit Mundschutz und allen Abständen. Vermutlich nicht. Weil das alte und kranke Menschen gefährden könne. Das sollten auch Seifert, Rolex-Kalle, Pöbel-Aki und Co. anerkennen.

Übrigens: Wie wenig der Fußball insgesamt verstanden hat, zeigt doch gerade “unser” Vorzeige-Nationaltorhüter und DFB-Kapitän Manuel Neuer. Während in ganz Deutschland auf Kurzarbeit gesetzt wird, die Menschen kein Geld verdienen oder immer mehr Unternehmer am Rande eines Existenzverlustes stehen, fordert Manuel Neuer 20 Millionen Euro vom FC Bayern München. Pro Jahr natürlich! Sonst will er die Bayern angeblich verlassen.

In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, lieber Fußball! Am besten machst Du einfach mal Pause. Bis zur neuen Saison!

4 Gedanken zu „Das richtige Zeichen: Der Fußball ist nicht so wichtig!

  • 16. April 2020 um 19:06
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    Der Fussball geht doch eh nicht weiter seit gestern !!!! ( Leider )

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  • 16. April 2020 um 23:09
    Permalink

    Aha, der “bundesweite Zusammenschluss der Fanszene” meldet sich zu Wort. Gerne hätte ich doch etwas mehr darüber erfahren, wer genau dieser Zusammenschluss ist und wen er repräsentiert. Ich unterstelle einmal, dass es sich weniger um DIE Fanszene als vielmehr um DIE Ultraszene handelt. Wie dem auch sei: Die Maximalforderung lautet: Stop den Geisterspielen. Und als Grund allen Übels werden mal wieder die TV Gelder ausgemacht.

    Jungs und Mädels: Forderungen stellen, wie ein Ende der “totalen Abhängigkeit von TV Geldern” oder “eine maximal solidarische Lösung” (was immer das sein soll) oder ein “nachhaltiger Fussball” ist schön und gut. Ich sehe an keiner Stelle irgendeinen Lösungsvorschlag, ausser der Maximalforderung: Keine Geisterspiele, was wiederum Saisonabbruch bedeutet.

    Um das Ganze aber mal einzuordnen. 33 Millionen Deutsche bezeichnen sich als Fussball interessiert, davon haben ungefähr 30 Millionen eine Vereinsbindung, ungefähr 3 Prozent gehen regelmässig ins Stadion und davon wiederum sind 11 Prozent Ultras oder Ultranahe.

    Mit anderen Worten: Ihr repräsentiert 0.3 Prozent der gesamten deutschen Fussballlandschaft und erhebt allen Ernstes den Anspruch, dass sich 99.7 % der übrigen Fans eurem Diktat beugen sollen?

    Also: Bringt Lösungsvorschläge, dann kann man auch sachlich darüber diskutieren.

    Antwort
    • 17. April 2020 um 10:48
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      Im Kern bin ich komplett bei Gerry’s Meinung, würde es nur etwas weniger drastisch an der ein oder anderen Stelle ausdrücken.

      Vorweg: Ich lese eure Beiträge echt gerne, und finde es gut, wie ihr trotz (für mich offensichtlicher) Ultra-Nähe (was nicht negativ gemeint ist) gute, differenzierte und auch für den “normalo Fan” aufbereitete Beiträge bringt.

      Im Kern kann ich die Forderungen der “Zusammenschlüsse der Ultra-Szenen” allerdings nicht nachvollziehen.
      Wie die Fußballwelt tickt, wissen wir wohl alle seit langem.

      Die jetzige Forderung ist für mich nichts weiter als eine Umsetzung des “Gegen den modernen Fußball”, was die Ultras ja durchweg fordern. Ich denke wir alle wissen, dass diese Forderung absolut unrealistisch ist.
      Egal wie wünschenswert das für manchen wäre, das wird nicht passieren. Kein Verein wird auf einmal seine solidarische Seite entdecken ( die einen vllt mehr, die anderen wohl überwiegend weniger). Dass die Vereine ohne die Abermillionen TV Gelder heutzutage nicht überleben können, ist kein wunder und ein ganz normaler Kreislauf im Wirtschaftsgeschehen.

      Ich möchte die Ultras sehen, wenn plötzlich 1/3 der Vereine pleite gehen, weil eben diese Gelder nicht mehr fließen. Und wenn dann plötzlich auch der eigene Verein betroffen ist.
      Und an sowas hängen nun mal nicht nur die zu-gut bezahlten Profis, sondern auch ein Haufen weiterer Mitarbeiter und deren Familien.

      Ohnehin arbeiten auch jetzt sehr viele Menschen. natürlich ist es grade für Tourismus, Gastronomie und Sport grade in vielen Bereichen hochkritisch, weshalb es diese Einschränkungen gibt.
      Ob die so gut sind, wie sie sind, oder ob auf die recht kleine Gruppe “Hochrisikopersonen” jetzt grade zuviel Rücksicht genommen wird, mag jeder für sich selbst entscheiden.

      Aber ich frage mich: Wenn doch die Regeln bzgl. Hygiene usw. eingehalten werden können, warum sollen die Fußballer dann nicht wieder ihrem Beruf nachgehen dürfen? Dass sie einen Job haben, der viel mehr in der Öffentlichkeit steht als andere Jobs, ist auch keine Überraschung.
      Die Geisterspiele jetzt aus dem Grund abzulehnen, “weil der Fußball sich damit zu wichtig nimmt” finde ich keinen Grund, und kommt dem Argument von Gerry gleich: “sich beschweren, aber keinen Lösungsansatz bieten”

      Ich für meinen Teil muss sagen: Ich habe trotz Corona den A**** voll Arbeit, und würde mich schon freuen, mal wieder am WE mit n bisschen Fußball entspannen zu können.
      Natürlich sind Geisterspiele eigentlich nicht erstrebenswert, und ich stehe auch jedes Heimspiel in der Nord. Aber in der Not frisst der Teufel fliegen. Auch wenn das Spiel gegen den FC am TV total merkwürdig war. Mittlerweile würde ich das lieber nehmen, als gar nix.

      “Keine Geisterspiele, keine Montagsspiele, keine Abhängigkeit von TV Geldern” ist eine Gesamtforderung der Ultras, die heutzutage einfach nicht mehr umzusetzen ist zu 100%. Und da wird auch Corona nichts dran ändern.

      Antwort
  • 18. April 2020 um 8:17
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    Da zu befürchten ist, dass sich der „bundesweite Zusammenschluss der Fanszene“ im Anschluss an Geisterspiele wieder besoffen vor dem Stadion versammelt, sollte diese Variante der Saisonbeendigung in der Tat nicht stattfinden.
    P. S.
    Ultras und Biertrinken im Park sind nicht „systemrelevant“

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