Ein Besuch im Borussia-Museum

Seit vergangenem Sonntag hat das neue Borussia- Museum seine Pforten geöffnet. Wir durften gemeinsam mit Ingo Müller, Borussia-Allesfahrer und Mitglied des Projekt-Arbeitskreises, bereits vor der offiziellen Eröffnung einen Blick in die über 1150 m² große Ausstellung werfen. Und dabei viele Details entdecken!

Zugegeben: Den Begriff „Museum“ werden einige Verantwortliche nicht gern lesen. Präsident Rolf Königs wies auf der Jahreshauptversammlung vorvergangenen Montag in seiner ganz eigenen pathetischen Art daraufhin, dass die Ausstellung, die nun gegenüber des Stadions im neuen Komplex „8-Grad“ beheimatet ist, eben kein Museum sondern eine Erlebniswelt sei. Schließlich würden Fans und andere Interessierte dort die Möglichkeit bekommen, die vielfältige Geschichte Borussias nicht bloß trocken nachzulesen, sondern sie zu erleben. Auch wenn die Wortwahl aus unserer Sicht zwar nur PR-typische Begriffsklauberei zum Zwecke der Markenbildung ist, müssen wir zugeben: Tatsächlich gibt es in der „Fohlenwelt“ eine ganze Menge zu entdecken!

Acht Stimmen, acht Richtungen

Ingo Müller hat das Museum vor allem audiovisuell mitgestaltet und umgesetzt. Der gebürtige Wuppertaler ist Mitglied des Berliner Fanclubs „Block B“. Mit seiner Produktionsfirma „Family Affair Medienproduktion“ siedelte er in der heißen Phase des Museums-Projektes von Berlin nach Mönchengladbach über, um näher dran zu sein. 

Als Teil eines großen Teams gehörte er zum verantwortlichen Arbeitskreis. Ingos eigene Mitarbeiter kümmerten sich spezifisch darum, Filme zu konzipieren, zu drehen und zu schneiden. Zahlreiche Interviews, Videobeiträge und die mediale Umsetzung der Audioguides gehen auf die Kappe der „Family Affair Medienproduktion“. Ingo ist Allesfahrer und betont immer wieder, wie wichtig es Borussia gewesen sei, keine x-beliebige externe Agentur zu beauftragen, sondern Borussia durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Fans und aktuelle und ehemalige Persönlichkeiten zu vertreten.  

Das wird für Besucherinnen und Besucher des Museums tatsächlich gleich am Eingang deutlich. Dort werden sie auf zwei Screens von acht Persönlichkeiten empfangen, die auf unterschiedlichste Art und Weise etwas mit Borussia zu tun haben. Aus diesen acht Personen darf sich das Publikum einen Audioguide aussuchen. Darunter sind Christoph Kramer, Rainer Bonhof, Joko Winterscheidt, der ehemalige Stadionsprecher Rolf Göttel und Knippi, der eine Führung für die jüngsten Fans eingesprochen hat.

Die niederländische Version hat der ehemalige Publikumsliebling Roel Brouwers übernommen und internationale Besucher können sich von Barney Sykes – einem Liverpool- und Borussiafan -informieren lassen. Ein Highlight aus Fansicht: Der ehemalige Vorsänger Sven Körber hat ebenfalls eine Version beigetragen, die aus Fan- und Kurvensicht durch die Ausstellung führt. Eine gute Idee, die dem Besucher die Möglichkeit eines individuelleren Besuchs bietet – vom Witzemacher Winterscheidt bis zum Kurvengesicht Körber.

Foto: Borussia
Borussias Abschnitte in Themenräumen

Am Eingang gibt es zum Audioguide ein Tablet, das durch die interaktive Ausstellung führt. Dennoch bleibt der museale Anspruch nicht auf der Strecke. Die einzelnen Kapitel der Vereinsgeschichte sind in verschiedene Abschnitte gegliedert. Von der Gründung, dem ersten Aufstieg, den goldenen 70ern, fußballerisch schönen, aber titellosen 80ern über die wechselhaften und schwarzen 90er bis in die grauen 2000er und neuerlichen Höhenflügen ist alles dabei.

Die Zeitabschnitte werden immer wieder gebrochen durch Themenräume, in denen es um „Magische Nächte“, die „Torfabrik Borussia“ in Zahlen und Videos oder einfach die Pokale geht. Im Trophäenraum erzählt Ingo bei unserem Rundgang lachend, dass es im Arbeitskreis im Winter 2018/19 plötzlich Stimmen gab, die (halb im Ernst, halb im Scherz) befürchteten, es müsse sich noch um die eventuelle Erstellung einer weiteren Meisterschale für 2019 gekümmert werden. In Momenten wie diesem wird deutlich, dass bei der Erstellung der Ausstellung tatsächlich Begeisterung für die Faszination Borussia am Werk war. Bekanntlich waren die Sorgen wegen einer möglichen sechsten Meisterschaft nach einigen Wochen ohnehin wieder verflogen – bleiben wir also lieber in nostalgischer Museumsstimmung. 

Denn Triumphe, Abstiege und Kuriositäten aus fast 119 Jahren Borussia wurden mit Liebe zum Detail aufbereitet. Wie intensiv an jeder Stellschraube gedreht wurde, zeigt sich, als wir bei unserem Rundgang Archivar Elmar Kreuels über den Weg laufen und Ingo und sein Mitstreiter sofort anfangen, über die exakte Ausleuchtung der Räume zu diskutieren. 

Ohnehin wuseln (zum Zeitpunkt unserer privaten Führung wenige Tage vor Eröffnung) noch sehr viele hämmernde, programmierende und pläneschmiedende Menschen durch Fohlenwelt. „Das wird eine Punktlandung“, erzählt Ingo. Auch Kreuels deutete auf seine grauen Haare und scherzt: „In meinem Alter merkt man den Stress deutlich!“ Allerdings nur, um wenig später begeistert von vielen Fans zu berichten, die sich mit – mal mehr und mal weniger brauchbaren – Reliquien auf die Aufrufe des Vereins gemeldet hatten.

Ingo Müller – Borussia-Fan, Allesfahrer und Museums-Mitgestalter (Foto: MitGedacht.)
Highlights aus fast 4 Jahren Arbeit

In mehreren Jahren Arbeit kommen natürlich einige Anekdoten zusammen. Ingo erinnert sich in den knapp vier Jahren, in denen er dabei war, besonders gerne an ein Interviews über den Aufstieg 2001. „Max Eberl schwelgte dabei so sehr in Erinnerungen, dass ich ihn von hinter der Kamera immer mal wieder anhalten musste, doch bitte etwas langsamer zu reden“, erzählt er strahlend. Eberl habe danach auf den Fluren des Borussia-Parks nach Pressekonferenzen immer nochmal gefeixt, ob er aus Ingos Sicht nun denn langsam genug geredet habe. 

Auch ein Trip in die Schweiz gehört zu den Lieblingsanekdoten des Borussia-Fans. Dort besuchte eine Borussia-Delegation, der auch Ingo angehörte, keinen Geringeren als Günter Netzer. Eigentlich sei es dort nur um ein Interview vor einem schwarzen Hintergrund gegangen, für das es keiner besonderen Location bedurft hätte. Netzer aber hätte das Team in ein Konferenzzentrum eines der teuersten Hotels Zürichs gelotst. Er hatte eben schon immer einen ausgefallenen und teuren Geschmack. 

Busfahrende Pokalsieger und ein Borusse im All

Die Entwicklung, die der Fußball und Borussia in 119 Jahren genommen haben, wird auch deutlich, weil wir wenige Minuten vor der Netzer-Story noch vor einem Film standen, in dem der Sohn eines Pokalsiegers von 1960 erzählt, wie sein Vater vor dem Finale noch arbeiten war und anschließend mit dem Bus nach Düsseldorf fuhr, um dort Pokalsieger zu werden. Den Sohn dürften auch jüngere Borussiafans noch kennen. Er heißt Michael Frontzeck.

Tatsächlich haben es die Macherinnen und Macher der Ausstellung geschafft, auch Geschichten abseits der bekannten Pfade zu finden. Für Schmunzeln wird bei vielen wohl der ehemalige Mannschaftsbetreuer und Platzwart Jupp Kames sorgen, wenn er im breiten „Jlabbacher Platt“ erzählt, wie er nach seinem Vereinseintritt 1918 wenige Jahre später die Verantwortung für den Rasen auf dem Bökelberg übernahm, bis in die 60er Schuhe putzte und sich um allerlei Dinge kümmerte.

Kurios ist auch ein einigermaßen unauffälliges Exponat, das beleuchtet mitten in einem Gang über der Ausstellung zu schweben scheint: eine schwarz-weiß-grüne Tippkickfigur, die der Mönchengladbacher Reinhold Ewald 1997 auf seiner Reise ins All dabei hatte. Der heute 62-Jährige ist Astronaut, Physiker und Borusse. Sein Talisman für die Reise ins Weltall musste möglichst leicht und klein sein. Es sind diese völlig verschiedenen Anekdoten rund um Borussia, die Fans abtauchen lassen.

Was fehlt in der Fohlenwelt?

Bei so viel Nostalgie fällt es als Fan natürlich schwer, kritisch zu bleiben. So ehrlich müssen wir sein. Und dennoch fallen ein paar Dinge auf. Bei aller Detailversessenheit, mit der die Geschichte der Borussia aufbereitet wurde, kommen ein paar Dinge etwas zu kurz.

Sowohl die vor allem früher das Gladbacher Stadionbild prägenden Kutten als auch eine der wichtigsten jugendlichen Subkulturen der heutigen Zeit, die Ultraszene, kommen in der Ausstellung nicht vor. Auf einer Illustration der Fankultur sind zwar Elemente beider Teile – wie in Eigenregie produzierte Fanartikel oder ein Vorsänger mit Megaphon – abgebildet, explizit werden aber keine Gruppen oder Figuren erwähnt.

Zunächst wäre da die Geschichte Borussias im Nationalsozialismus. Die ist zwar auf einer Tafel behandelt, nimmt aber zu wenig Platz ein. Natürlich können wir nicht beurteilen, inwiefern es dort bessere Möglichkeiten und Ansatzpunkte gegeben hätte, dennoch besteht bei Borussia in Sachen Aufarbeitung dieser Zeit Nachholbedarf. Wobei auch wir und andere Teile der Fanszene dort bisher nicht aktiv geworden sind. Schließlich waren es andernorts aktive Fans, die den eigenen Verein zur Aufarbeitung der Geschichte drängten. 

Damit wären wir beim zweiten kleinen Kritikpunkt, den es anzubringen gilt: die aus unserer Sicht etwas ausbaufähige Darstellung der Diversität unserer Fanszene. Sowohl die vor allem früher das Gladbacher Stadionbild prägenden Kutten als auch eine der wichtigsten jugendlichen Subkulturen der heutigen Zeit, die Ultraszene, kommen in der Ausstellung nicht vor. Auf einer Illustration der Fankultur sind zwar Elemente beider Teile – wie in Eigenregie produzierte Fanartikel oder ein Vorsänger mit Megaphon – abgebildet, explizit werden aber keine Gruppen oder Figuren erwähnt.

Kaum erwähnt oder gezeigt werden im Übrigen auch Frauen und Mädchen rund um Borussia. In der Ausstellung geht es an keiner Stelle um eine prägende Frau der Vereinsgeschichte. Der Frauen- und Mädchenfußball wird auf einer Tafel neben Tischtennis und Handball abgehandelt. Das ist explizit kein Fehler der Verantwortlichen des Museums. Schließlich sollen die abbilden, was Borussias Historie ausmacht. Es zeigt aber auf, dass Borussia 2019 Diversität fehlt. Auch die moderne Borussia ist kein Abbild der Gesellschaft, sondern tritt nach außen als männlicher, konservativer Verein auf. Das mag nicht jeden oder jede stören, passt aber nicht zur Vielfalt, für die Borussia stehen möchte.

Allerdings – das darf hier nicht unerwähnt bleiben – lässt das Museum Raum für bisher fehlende Aspekte. Im Bereich der Sonderausstellung wird es wechselnde Ausstellungen geben. Den Auftakt macht Puma mit einer Ausstellung zur Geschichte der eigenen Sport- und Fußballschuhe. Hier wäre aber Raum für die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen. In einer Fan-Vitrine können Anhänger ihr ganz persönliches Exponat temporär ausstellen. Anfänge sind also gemacht. 

Foto: Borussia

Museum oder Erlebniswelt? Hauptsache Borussia!

Abseits der aufgeführten Aspekte, ist das neue Museum aber mindestens einen Besuch wert. Die Ausstellung ist vielseitig, interaktiv und modern, ohne die Geschichte zu vergessen – und sie bietet dem Besucher eigenen Gestaltungsraum, etwa durch die eingangs erwähnten Audioführungen. Als Borussia-Fan würden wir wohl Sven Körber wählen, aber auch externe Fußballfans kommen auf ihre Kosten – etwa bei Rainer Bonhof.

Die Begeisterung der Menschen, die monatelang geplant, produziert und geschraubt haben, zeigt sich immer wieder. Im Übrigen sind einige nachgestellte Szenen nicht mit Schauspielern gedreht worden, sondern mit Mitarbeitern des Vereins. Da schießt dann jemand aus der Presseabteilung vier Elfmeter gegen den Kölner BC, weil dem Schiedsrichter des Pokalfinales die Ausführung dreimal nicht gepasst hatte. Ein schöner Zufall, dass eben jener Vereinsmitarbeiter Paul Pohl zum Verwechseln ähnlich sieht.

Die vielen Details und Besonderheiten würden noch für ein paar Seiten reichen. Für 12 Euro könnt Ihr selbst in die Fohlenwelt abtauchen. Wir finden den Preis fair. Schüler, Studierende und Menschen mit Behinderung kommen für 10 Euro rein. Es lohnt sich! Ganz egal, ob man es jetzt Erlebniswelt oder Museum nennt. 

Fotos zu diesem Beitrag: Borussia und MitGedacht.

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