Ein Wikinger verlässt den Niederrhein.

Was in den letzten Tagen schon zu erahnen war, ist nun Gewissheit: zum Saisonende wird Havard Nordtveit die Borussia nach England verlassen. Nach fünfeinhalb Jahren am Niederrhein zieht es den Norweger zurück auf die Insel. Ein Wechsel der wieder einmal zeigt, dass das Geld der Premier League auch vor unserem Club keinen Halt macht. Ein Kommentar.

Es sei ihm sehr schwer gefallen, sagte der 25jährige Allrounder nach der Partie gegen Eintracht Frankfurt. Wer ihm dabei in seine Augen blickte, konnte erkennen, wie intensiv die letzten Wochen für ihn gewesen sein müssen – und doch ist die Entscheidung gegen die niederrheinische Idylle und für die Londoner Metropole gefallen. Zurück zu seinen fußballerischen Wurzeln und zu einem gut gefüllten Konto, auf das ihm jährlich wohl das doppelte Salär überwiesen werden wird.

Es ist bekannt, dass Max Eberl Nordtveit gerne gehalten hätte und ihm – auch für Borussen-Verhältnisse – ein sehr, sehr gutes Angebot gemacht hat. Ein Vertrag, der ihn nicht nur sehr gut entlohnte, sondern auch kurzfristig zu einer tragenden Rolle in der Mannschaft macht und ihm die Chance gab, für viele Jahre ein Gesicht des Vereins zu werden. In einer Phase, in denen die Abgänge von Martin Stranzl (Karriereende) beschlossen und von Roel Brouwers (Vertragsende) nur noch Formsache sind, wäre es ein Zeichen gewesen. Er wäre in der Hierarchie noch einmal aufgestiegen. Jemand, der in einer schweren Zeit für den Verein ins Team kam und über Jahre seine Leistungen konstant steigerte. Doch nun sucht er eine andere Herausforderung.

Über die Relegation zur Polyvalenz

Als der aus der Gemeinde Vats stammende Skandinavier im Januar 2011 an den Borussia-Park wechselte, staunte man im Borussen-Lager nicht schlecht. Ein vergleichsweise Unbekannter aus der zweiten Mannschaft von Arsenal London, der zwar schon in Nürnberg Bundesliga-Erfahrung sammeln konnte, aber eher schmächtig wirkte – konnte der uns wirklich kurzfristig helfen? Er konnte. Mit seiner aggressiven Spielweise brachte vor Anfang an die nötige Härte in die Spiele. In 15 von 17 Rückrundenpartien stand er dabei in der Startelf – und allein 13-mal spielte er durch. Dabei war er neben Roman Neustädter der entscheidende Mann im defensiven Mittelfeld und die Konstante, die den VFL in der Relegation doch noch den Nichtabstieg ermöglichte.

Ein Pluspunkt für Nordtveit war in den letzten Jahren vor allem ein Begriff, den Lucien Favre als wichtigstes Kriterium formulierte: Polyvalenz. Allein in dieser Saison spielte der norwegische Nationalspieler wettbewerbsübergreifend auf drei Positionen und machte insgesamt 31 Spiele. Vor allem in den letzten Wochen, in denen er den gesperrten Xhaka als Kapitän vertrat, spielte er stark. Wie sein Trainer Andre Schubert es so schön formulierte: „Wenn Harvard fit ist, spielt er bei mir immer“. Es schien so, als ob er nun endlich auch sein Standing gefestigt habe. Egal ob als Rechtsverteidiger (4 Spiele), im defensiven Mittelfeld (15 Spiele) oder wie in den letzten Partien als Innenverteidiger (12 Spiele), der 26-fache Nationalspieler Norwegens wusste überwiegend zu überzeugen. Dennoch bleibt abzuwarten, ob und wie er mit dem Spiel in England zurechtkommen wird.

Bei gebotener Lobhudelei, Nordtveits Schwächen sind unübersehbar: das Tempo. Bei aller Härte und Dominanz in seinem Spiel, die technischen Mängel auf einer Position wie dem defensiven Mittelfeld könnte ihm früher oder später in der Premier League zum Verhängnis werden. Anders als seine Nebenleute auf der „Sechs“, Dahoud und Xhaka, benötigt Havard Nordtveit immer noch ein bisschen länger bei Ballan- und –mitnahme. Auch das moderne Aufbauspiel zählt nicht zu seinen Paradedisziplinen. Dennoch sind wir sicher, dass er eine geeignete Position in seinem neuen Verein finden wird, denn Eines hat er immer gezeigt: er kann sich durchsetzen.

Nachlegen auf der „Sechs“ ist notwendig

Doch was bedeutet das nun für unsere Borussia? Klar ist, dass Eberl für die Position des Sechsers im Sommer nachlegen muss. Vor allem die Personalie Granit Xhaka ist nach wie vor ungeklärt. Aus dem Verein ist zu hören, dass hier zwar noch kein offizielles Angebot für den Schweizer reingeflattert sei. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass spätestens nach der EM (sollte Xhaka auch da überzeugen können) Interessenten am Niederrhein vorstellig werden. Und bei kolportierten Summen von 40 oder gar 50 Millionen wäre es nur verständlich, wenn schnell die Tinte unter den Verträgen trocknet. Bei aller Qualität eines Xhaka sind das Preissegmente, in denen unsere Borussia glücklicherweise nicht agieren muss.

Sollte ein Wechsel dann zustande kommen, stünde man letztlich nur noch mit Mo Dahoud als gelernten defensiven Mittelfeld-Spieler im Kader. Hinzu käme noch die gelernte Polyvalenz der Herren Christensen, Schulz oder Jantschke – aber das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Und außerdem ist das auch nicht (mehr) der Anspruch unseres Vereins. Aber Eberl wird eine geeignete Lösung finden und klar ist auch: einen Leistungsträger wie Nordtveit hat er das letzte Mal zum Nulltarif abgegeben. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass es die Möglichkeit gab, schon vor der letzten Saison mal über eine Vertragsverlängerung zu verhandeln. Schade drum.

Dennoch wünschen wir unserem „Howie“ für die letzten Partien im Dress mit der Raute auf der Brust alles erdenklich Gute. Wir sind sicher, dass auch er sich bis zuletzt den „Arsch“ aufreißen wird. Und wenn wir an das letzte Heimspiel gegen Leverkusen denken, dann machen wir uns schon einmal ran, unsere Stofftaschentücher zu bügeln. Denn bei den Abgängen wird es emotional. Ganz gewiss.

Bild zu diesem Beitrag: Torfabrik.

Ein Gedanke zu „Ein Wikinger verlässt den Niederrhein.

  • 15. März 2016 um 20:56
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    Es stimmt alles und Achtung, da könnte im Sommer noch ganz schön was ins Rutschen kommen. Nordveit, Stranzl sind klar, Xhaka für mich auch, dazu ist noch nicht mal zwingend eine gute EM nötig. Er will unbedingt in die PL, das hat er mehrfach anklingen lassen, mehr als er mit dem Zaunpfahl winken kann man gar nicht.

    Was ist wenn die Bayern eines ihrer unmoralischen Angebote aus dem Hut ziehen und einem Mo Dahoud den Kopf verdrehen? Hält da wirklich ein “Unverkäuflich” unseres Max, wenn Summen aufgerufen werden, die jenseits von Gut und Böse sind?

    Ruckzuck stünde man im Sommer mit überhaupt keiner 6 mehr da, aber ich bin sicher, dass Max dies mit seinem seit Jahren bewährten und erfolgreichen Rechenschieber entsprechend durchspielt. Es würde mich wundern hätte er zumindest für Xhaka noch keinen Plan B in der Tasche.

    So zeichnen sich die beiden 6er (von denen höchsten Mo bleibt) und die Defensive im Sommer als Baustelle ab. Lebt eigentlich Dominguez noch? Stranzl weg, mit Browers muss man rechnen und ein Christensen wird nächste Saison in seine letzte bei Borussia gehen. Fangen wir nicht an zu lamentieren, dies ist das Borussen-Schicksal. Spieler gross machen und ihnen dann mit dem Taschentuch nachwinken, wenn sie dorthin gehen, wo es was zu gewinnen gibt. Einen Titel wird man als VFL-Fan leider nicht mehr erleben, zumindest nicht, wenn man seit den 70ern glühender Verfolger der Freude- und Leidenszeit ist.

    Ich wünsche “Howie” einem fairen und immer vorbildlichen Kämpfer auf seinem neuen Abschnitt alles Gute. Auch diese Entscheidung ist nachvollziehbar. Hochzeiten mit Vereinen, wie es sie früher gab, sind passè. Das Fahrwasser derjenigen, die uns verlassen ist leider immer noch viel tiefer, als das, welche diejenigen nehmen, die den Weg zu uns finden.

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