Gracias, Amigo!

Kurz vor dem Spiel in Barcelona erschütterte die Nachricht von Álvaro Dominguez` Karriereende die Borussen-Welt. Dabei war die Tatsache an sich für viele weniger überraschend als der Zeitpunkt und die Art der Veröffentlichung. Davon abgesehen verliert Borussia einen enorm wichtigen Spieler. Wir blicken zurück.

„Für uns ist das, als wenn Barcelona Messi, Xavi und Pique zusammen verliert“. Mit dieser Aussage kommentierte Lucien Favre die Abgänge von Marco Reus, Roman Neustädter und Dante nach der Fabelsaison 2011/2012. Als Ersatz für Abwehrchef Dante zauberte Max Eberl Álvaro Dominguez aus dem Hut. Ein Spieler, der beim spanischen Top-Verein Atlético Madrid die Europa League als Stammspieler und stellvertretender Kapitän gewann. Ein Talent, das bei vielen europäischen Spitzenclubs begehrt war und dennoch von Max Eberl an den linken Niederrhein gelotst wurde. Wie sich später herausstellen sollte: Ein fabelhafter Transfer!

Doch zunächst machte Dominguez die neue Bundesliga-Luft zu schaffen. Genau wie die anderen beiden Top-Neuzugänge, Granit Xhaka und Luuk de Jong, hatte der gebürtige Madrilene Startschwierigkeiten. Im Gegensatz zu diesen stabilisierte er sich aber schon im Laufe der Hinrunde. So standen satte 30 Startelfeinsätze nach seiner ersten Saison auf dem Konto: Ein Beweis dafür, wie schnell er dann doch zu einer festen Größe in der Gladbacher Hintermannschaft avancierte.

FÜR FAVRE WAR DOMINGUEZ ENORM WICHTIG

Diesen Stellenwert behielt er auch in den folgenden Jahren unbestritten. Obwohl Dominguez manchmal für einige kleine Aussetzer gut war – das beste Beispiel sind zwei unglücklich verursachte Handelfmeter in München – bildete er mit Martin Stranzl ein perfektes Innenverteidiger-Duo. Bei Engpässen konnte der gelernte Linksfuß außerdem problemlos auf der Außenposition aushelfen. Er war ein maßgeblicher Bestandteil der defensiven Stabilität, die die Grundlage für Borussias Aufstieg unter Favre war. Für den Schweizer Trainer war Dominguez außerdem ein perfekter Ansprechpartner: ein intelligenter Spieler, der die taktischen Vorgaben – ob in der Rückwärtsbewegung oder im Aufbauspiel – stets tadellos umsetzte.

Neben seinen fußballerischen Qualitäten begleiteten jedoch schnell zahlreiche Verletzungen die Zeit am Niederrhein. Es begann in seiner zweiten Saison mit einem Schlüsselbeinbruch im Heimspiel gegen Dortmund. In der Saison danach spielte Dominguez eine bärenstarke Hinrunde, eher er im Februar 2015 erstmals wegen Rückenproblemen aussetzen musste. Im Laufe der Rückrunde gab es immer wieder Zeiträume von zwei Wochen, in denen er kein Spiel absolvieren konnte. Die Vorbereitung auf die neue Saison 2015/2016 verpasste der Spanier dann vollständig und stand vergangenes Jahr auch nur auf neunmal auf dem Platz. Am Ende schaffte er es in keiner Spielzeit, die 30 Bundesliga-Einsätze aus der ersten Saison zu wiederholen.

Diese Willensstärke machte ihn schon nach kurzer Zeit zu einem Eckpfeiler und einem echten Führungsspieler bei Borussia. Oft wurde er in der Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen, weil andere Spieler wie Routinier Martin Stranzl oder der impulsive Granit Xhaka stärker im medialen Fokus standen.

Dass Dominguez dennoch bis zuletzt ein hohes Standing in der Mannschaft genoss, lag vor allem an seiner Art und seinem Charakter. Dominguez integrierte sich nach seinem Wechsel so schnell wie wohl kaum ein anderer Bundesliga-Profi. Er fand sich unfassbar rasch zurecht in einem neuen Land, einer neuen Stadt und mit einer neuen Sprache. Und das obwohl er zuvor sein ganzes Leben in der spanischen Metropole Madrid verbracht hatte. In einem Interview mit der Rheinischen Post im Mai 2015 bestätigte die für Borussia tätige Dolmetscherin Kamila Blumski, dass Dominguez einer ihrer besten und motiviertesten Schüler war. Auch wenn er immer seine enge Bindung zur Heimat betonte, war er gewillt, deutsch zu lernen. Er versuchte sich schnell in seiner neuen Wahlheimat Düsseldorf zu integrieren und schreckte nicht vor ein paar Stunden trockener Grammatik zurück. Wir alle können uns vorstellen, wie hart das sein kann.

Diese Willensstärke machte ihn schon nach kurzer Zeit zu einem Eckpfeiler und einem echten Führungsspieler bei Borussia. Oft wurde er in der Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen, weil andere Spieler wie Routinier Martin Stranzl oder der impulsive Granit Xhaka stärker im medialen Fokus standen. Am deutlichsten wurde Dominguez‘ Rolle aber bei seinem letzten großen Comeback-Versuch bei Borussia. Nach dem Rücktritt von Erfolgstrainer Lucien Favre hatte die Fohlenelf fünf Spiele verloren. Interimstrainer André Schubert übernahm eine völlig verunsicherte Mannschaft, nur drei Tage später stand das Heimspiel gegen Augsburg auf dem Programm.

DOMINGUEZ’ KARRIEREENDE TRIFFT BORUSSIA HART

Zu diesem Zeitpunkt verlieh Dominguez der Hintermannschaft absolute Stabilität. Noch heute können wir uns nur zu gut daran erinnern, wie er im Augsburg-Spiel den unerfahrenen und in den Spielen zuvor oftmals überforderten Andreas Christensen förmlich an die Hand nahm. Der Spanier dirigierte und organisierte Borussias Spiel aus der letzten Reihe heraus. Zwar verschuldete er auch einen Elfmeter, viel offensichtlicher waren aber die Impulse im Aufbauspiel mit präzisen Pässen ins Mittelfeld. Gerade vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie sehr ein Dominguez in Topform der Borussia in der momentanen Situation fehlt!

Borussia hat vor der Saison mit Martin Stranzl, Rouel Brouwers, Havard Nordtveit und Granit Xhaka vier Spieler verloren, die in der internen Hierarchie ganz oben standen. Doch unser Verein hat wohl schon damals einen fünften Spieler verloren, über den zu jenem Zeitpunkt niemand sprach: Álvaro Dominguez. Er ist definitiv in einer Reihe mit den anderen Leistungsträgern zu nennen. Das Wegbrechen dieser Achse ist ein nicht zu unterschätzender Faktor, warum die Mannschaft aktuell so viele Probleme hat.

Vielleicht auch wachgerüttelt durch den viel beachteten und sicherlich nicht ganz sauberen Dominguez-Rücktritt hat Max Eberl dieses Problem in der letzten Woche öffentlich zugegeben und bestätigt, dass er in dieser Hinsicht nachlegen will – nein, sogar nachlegen muss. Aus unserer Sicht eine nicht zu unterschätzende Aufgabe, weil charakterlich wie sportlich starke Spieler der Marke Dominguez eben nicht auf dem Baum wachsen. Wir sind uns aber sicher, dass Eberl ein genauso gutes Händchen beweisen wird – wie im Sommer 2012!

Denn trotz all der Umstände, Spekulationen und Schuldzuweisungen bleibt Álvaro Dominguez für uns ein Spieler, der ein wichtiger Bestandteil der erfolgreichsten Zeit der jüngeren Vereinsgeschichte war. Er war immer ein Borusse, der hundert Prozent für die Raute gegeben hat, auf dem Platz vorweggegangen ist, nie außerhalb des Platzes aufgefallen ist und junge Spieler mitgerissen hat. Wir hoffen, dass in den nächsten Wochen eine Schlammschlacht ausbleibt und wir einen so verdienten Spieler gebührend verabschieden können.

Auf diesem Wege daher von uns schon einmal ein aufrichtiger Gruß: Danke Álvaro!! Gracias Amigo!!

Foto zu diesem Beitrag: Facebook/Adominguez15

3 Gedanken zu „Gracias, Amigo!

  • 15. Dezember 2016 um 9:58
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    Eine wunderbare Würdigung eines tollen Spielers!

    Im Torfabrik-Forum hatte einer eine schöne Idee. Vielleicht lässt sich die Idee verbreiten: Die Borussia und Kappa bieten das AD15-Trikot zum Kauf für Fans an und die gesamten Erlöse kommen unserem Ex-Kapitän zugute (auch wenn er nicht 1. Captain war).
    Das würde Alvaro helfen, der wohl keine Invalidenversicherung hat. Und es wäre ein schönes Zeichen der Fans, dass er nicht in Vergessenheit gerät sondern Teil der Borussia-Familie bleibt.

    Wäre schön, wenn Ihr vom Mitgedacht-Blog die Idee aufgreifen würdet!

    Ulrich

    Antwort
    • 15. Dezember 2016 um 13:35
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      Sorry, aber ich denke das dies ein wenig übertrieben ist. Ein ehemaliger Profi-Spieler mit Berater
      sollte schon ein wenig vorsorgen können. Dann muss er eben den R8 mal gegen einen A4 eintauschen. Eine dauerhafte Anstellung im Verein und eine Perspektive für die nächsten Jahre sind da wohl sinnvoller. Wer sagt überhaupt, dass er keine Versicherung hat?
      Ich bin ihm wirklich dankbar für seine Leistung im Verein aber man sollte hier auf dem Boden bleiben.

      Antwort
  • 16. Dezember 2016 um 15:58
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    sehr guter Artikel.
    Gracias Álvaro Dominguez!

    Antwort

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