„Wir haben kein Patent auf Gutes tun!“ – ‘Support Your Local Heroes’ im Interview

In der Corona-Zeit hat sich in Mönchengladbach die Initiative „Support Your Local Heroes“ gegründet. Das Projekt stammt aus der Feder von Marc König – einem Mitglied der Gladbacher Ultraszene. Wir haben uns mit ihm per Videoschalte sehr ausführlich über seine Intention und die Arbeit der Initiative unterhalten. “Support Your Local Heroes” im Interview:


Marc, wir sind uns zwar sicher, dass viele Borussia-Fans und Mönchengladbacherinnen und Mönchengladbacher schon von eurer Aktion gehört haben. Dennoch: Stell dich und dein Projekt doch bitte ganz kurz vor!
Gerne! Ich bin Marc, 30 Jahre alt, Webentwickler aus Mönchengladbach – und darüber hinaus seit vielen Jahren aktives Mitglied der Ultraszene. Das soll an dieser Stelle aber gar keine große Rolle spielen. Denn ich hatte jetzt in der Krise einfach das Gefühl, ich möchte was als Privatperson machen – abseits von Nordkurve Aktiv, die ja auch sehr schnell eine Aktion ins Leben gerufen haben. Mir ging es aber um was Eigenes, am besten ohne direkten Fußballbezug! 

Wie kam es denn zu deiner konkreten Idee, den Mönchengladbacher Einzelhandel zu unterstützen?
Ich wollte was für meine Stadt machen. Als Ultra maße ich mir natürlich an, diese Stadt etwas mehr zu leben und zu lieben (grinst). Und das war auch meine Motivation: Gladbach wird so unterschätzt und wir haben eigentlich richtig coole Läden hier. Das habe ich auch in der Anfangszeit der Aktion gemerkt: Diese Stadt ist deutlich vielseitiger als viele denken. Und genau dafür und für diese Läden habe ich das Projekt gestartet. Mir gibt das unfassbar viel: Ich habe durch das Projekt zum ersten Mal das Gefühl, der Gesellschaft wirklich mal was geben zu können. Als Webentwickler ist das sonst eher nicht so der Fall (lacht). Ehrlich gesagt kannte ich das Gefühl bisher so nicht. Das ist wirklich gigantisch erfüllend! 

Wie bist Du auf die Idee des T-Shirt-Verkaufs gekommen? 
Ganz ehrlich: Das war eine Nacht-und-Nebel-Aktion. Ich saß mitten in der Nacht am Rechner und habe ein bisschen im Netz gestöbert. Ich interessiere mich sehr für Sneaker und verfolge die Szene. Dabei ist mir aufgefallen, dass voll viele Leute anfangen, mit der Krise Kohle zu verdienen: egal ob mit Masken, Shirts oder anderen Sachen. Das hat mich irgendwie abgefuckt, dass da Leute mit den Sorgen anderer abkassieren. Also habe ich mir erstmal eine Domain gesichert: Das war „fuckcovid.de“. Wir haben die letztlich schnell gewechselt, weil sie nicht so gesellschaftstauglich ist (lacht).

Aber es ist plakativ – das muss man schon sagen …
Ja, das finde ich auch. Es war jedenfalls eine gute Basis. Mir war klar, dass ich den Leuten nicht sagen kann: Spendet mal 20 Euro für die Gladbacher Geschäfte – also brauchte ich eine Gegenleistung. So ist mir die Shirt-Idee gekommen. Also habe ich Josh, einen befreundeten Tätowierer, angerufen und ihn gebeten, ein Logo zu kreieren. Währenddessen habe ich den Online-Shop an den Start gebracht. Und so waren wir innerhalb von wenigen Stunden live. Ehrlicherweise bin ich da sehr unbedarft rangegangen – so wie man es als Webentwickler eigentlich nie machen würde. Es hat aber funktioniert! Schon am nächsten Morgen hatte ich ein Radio-Interview mit Welle Niederrhein und die Sache ist gewachsen. 

Josh hat das Logo des T-Shirts designt (Foto: Kevin Mohr)

Hat Dich das überrascht?
Ja, ich fand das schon krass. Ich habe am nächsten Morgen zu Natalie, meiner Frau, die mittlerweile ebenfalls an dem Projekt mitarbeitet, gesagt: „Das wird voll durch die Decke gehen!“ Und so kam es dann auch. Vor allem logistisch habe ich die Sache aber ziemlich unterschätzt. Man kann sich nicht vorstellen, wie viel Arbeit das ist.

Was meinst Du genau?
Wir haben mit 30 Shirts am Tag angefangen. Das ist dann rapide angestiegen. Schon am ersten Samstag hatten wir auf einmal einen Tagesumsatz von 1000 Euro, dann waren es kurze Zeit später schon 8000 Euro. Und damit gehen dann die Probleme los: Denn 8000 Euro bedeuten 400 Shirts. Da ist unsere Druckerei, die eigentlich auf Kurzarbeit gehen sollte, nicht hinterhergekommen. Und wir mit dem Ausliefern ebenso wenig. Wir mussten anfangen, uns Lieferlisten zu machen. Dann dachten wir: „Es bestellen ja eh nur Leute aus Gladbach.“ Tja, von wegen! Wir versenden Shirts in ganz Deutschland, was auch wieder Kosten hervorruft, die wir lange aus eigener Tasche bezahlt haben. Also das alles ist und war schon der Wahnsinn! 

Wir spüren dein Engagement für den Gladbacher Einzelhandel zu 100 Prozent. Wie haben denn die Läden am Anfang auf deine Initiative reagiert?
Tja, das war schon schwierig. Ich habe einfach Geschäfte abgeklappert und den Leuten gesagt: „Ich bin von ‚Support Your Local Heroes‘, ich will was für euch machen!“ Die Leute dachten, ich wollte denen irgendwas verkaufen. Es gab am Anfang Läden, die haben mich rausgescheucht. Das war schon mühsam.

Mit den ersten Partnern wurde es aber besser?
Tatsächlich haben wir glücklicherweise relativ schnelle einige coole Partner gefunden. Die Hensen Brauerei, das Rabbit Hole oder das Café van Dooren zum Beispiel. Das waren unsere Zugpferde, weil sie die Aktion auch sehr beworben haben. Die haben das Projekt damit selbst groß gemacht. Eine Sache finde ich übrigens auch total bemerkenswert.

Bitte, wir sind gespannt …
Wir haben eine WhatsApp-Gruppe mit allen „Local Heroes“. Ich finde es cool, wie die Läden sich da vernetzen. Die lernen sich ja alle auch dadurch kennen und quatschen miteinander. Ich glaube fest daran, dass wir damit eine ziemlich coole Basis von bis zu 100 lokalen Einzelhändlern geschaffen haben, die Mönchengladbach nur gut tun kann. 

Über das Kernteam hinaus kommen täglich mehrere Leute – vor allem aus der Ultraszene zu uns – und unterstützen uns einfach. Die liefern mal eben 200-300 Shirts aus, ohne Fragen zu stellen oder irgendwas zu fordern. Sie bringen auch noch Freundinnen oder andere Freunde mit, die ich noch nie gesehen habe. Neben ihrer normalen Arbeit ackern sich diese Leute den Arsch ab und packen nochmal eben bis zu acht Stunden am Tag drauf. Das ist schon mega beeindruckend!

Marc König im MitGedacht.-Interview

Wenn man das Projekt in den sozialen Medien verfolgt, merkt man schon, dass Ihr da eine Menge Herzblut reinsteckt. Wie groß ist das Team mittlerweile?
Ich habe erst einmal alleine angefangen und dann meine Frau Natalie mit ins Boot geholt. Die arbeitet übrigens eigentlich im Krankenhaus und hat gerade dort natürlich einen Arsch voll Arbeit. Trotzdem gibt sie auch bei „Support Your Local Heroes“ Vollgas, macht den Instagram-Account und überlegt sich, an wen wir noch herantreten können. Insgesamt sind aber jetzt schon neun Leute dabei. Einer der ersten, die dazu kamen, war unser Stadionsprecher Torsten Knippertz. Ich habe ihn angerufen und gefragt, ob er Bock hat mitzumachen. „Knippi“ hat einfach unfassbare Kontakte, ist ein vertrautes Gesicht der Stadt und kann sich qua seines Berufs gut verkaufen. Dazu waren Ingo Müller, den man ja auch aus der Fanszene kennt, und seine Frau Vivian, die bei Borussia arbeitet, schnell mit im Boot. Ich habe dann noch einen Arbeitskollegen angehauen, der die Seite mitentwickelt hat, und wir haben uns schnell für die Print Factory in Rheydt als Druckerei entschieden. Außerdem ist noch Kevin Mohr dabei, der Fotos und Videos macht. Ich kann mit vollem Stolz sagen: Das ist insgesamt eine richtig coole Truppe. Vor allem weil mir noch eine andere Sache extrem wichtig ist …

Ja, bitte?!
Auch über dieses Kernteam hinaus kommen täglich mehrere Leute – vor allem aus der Ultraszene zu uns – und unterstützen uns einfach. Die liefern mal eben 200-300 Shirts aus, ohne Fragen zu stellen oder irgendwas zu fordern. Sie bringen auch noch Freundinnen oder andere Freunde mit, die ich noch nie gesehen habe. Neben ihrer normalen Arbeit ackern sich diese Leute den Arsch ab und packen nochmal eben bis zu acht Stunden am Tag drauf. Das ist schon mega beeindruckend und das möchte ich hier explizit noch einmal herausstellen!

Thorsten “Knippi” Knippertz gehörte zu den ersten Unterstützern der Initiative. (Foto: Kevin Mohr)

Ihr erfahrt auch Unterstützung von mehr oder weniger prominenten Gladbachern: Patrick Herrmann ist dabei, Roel Brouwers hat Euch supportet, aber auch Kai Ebel beispielsweise. Wie kam es dazu?
Der Kontakt zu Hermann und Brouwers kam natürlich über Knippi und Ingo zustande. Das ist schon cool und hat uns auch sehr stolz gemacht. Patrick Hermann war ehrlich interessiert. Es war super schön zu sehen, wie er sich über das Shirt gefreut hat. Ich habe es ihm abends vorbeigebracht und musste schmunzeln, als kurz nachdem ich es eingeworfen hatte im Flur das Licht anging. Scheinbar hat er drauf gewartet (grinst). Darüber hinaus sind dann aber auch einige Spieler unvermittelt auf uns gestoßen. Tobi Sippel beispielsweise über eine Instagram-Story von Knippi. Oder unser Torwarttrainer Steffen Krebs, der irgendwie auf das Projekt gestoßen ist und uns angeschrieben hat, ob er Shirts haben kann. 

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@fkk_covid X @kai_ebel ————————————————— Wir sagen danke @kai_ebel für deine Unterstützung. Ein Tshirt zur Unterstützung unserer lokalen Geschäfte, Restaurants, Kneipen, Künstler, sozialen Einrichtungen usw. kaufen, geht doch oder? In unserem Shop findet ihr noch genügend Tshirts zur Unterstützung eurer Local Heroes oder ihr verzichtet auf ein Shirt und wählt die Option „kein Shirt, nur helfen“. Gemeinsam können wir in diesem schweren Zeiten noch so viel erreichen, lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass Mönchengladbach seine Vielfalt behält. #mönchengladbach #supportyourlocalhero #bekind #covid19 #gemeinsamstark #gemeinsamgegencorona #stayathome #stayhealthy #zusammensindwirstark #sozialesengagement #fkk_covid

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Gibt es irgendeine besondere Anekdote, die du noch erzählen möchtest?
Unser Treffen mit Kai Ebel war schon sehr speziell und lustig. Da ist auch ein echt geiles Video draus geworden. Dazu hat mich überrascht und gefreut, dass uns der Oberbürgermeister Reiners irgendwann ein Foto mit einem unserer Shirts geschickt hat. Wir hatten schon die Unterstützung des SPD-Kandidaten Felix Heinrichs, hatten aber nicht geglaubt, dass der OB sich auch meldet. Das war echt cool. Was mich ein bisschen nervt, sind viele „Prominente“, die sich einfach nicht zurückmelden. Beispiel Joko Winterscheidt. Ich meine: Das kostet die nichts, uns mal eben zu unterstützen und damit tut er auch noch was Gutes. Also Joko, wenn Du das liest: Meld dich mal! Ansonsten ist es aber schon cool, wie viele Menschen uns unterstützen – übrigens auch Firmen.

Kannst Du da Beispiele nennen!?
Absolut: Es gibt zum Beispiel in Wickrath eine Druckerei, die machen die ganzen Karten für Fußballspiele. Das wusste ich gar nicht, bis die uns bei Instagram angeschrieben und haben: „Wollt Ihr nicht Aufkleber haben?“ Plötzlich kamen fertige Aufkleber in unserem Layout. Die haben die einfach richtig geil nachgebaut und uns kostenlos zur Verfügung gestellt. Eine andere Sache: Wir haben von „deinball.de“ eine Mail bekommen, in der sie unser Engagement gelobt haben. Also haben die uns zehn Derbystar-Bälle geschickt, die wir versteigern konnten, um Kohle einzunehmen. Auch die Sparkasse hat angefragt. Die bauen jetzt tatsächlich unser Logo auf die Bildschirmschoner der Geldautomaten. Diese Wertschätzung freut uns!

Eine Sache, die auch durch die Medien gegangen ist, ist, dass die Schalker Fanszene das Projekt adaptiert hat. Wie kam es denn dazu?
Über das Fanprojekt „De Kull“ sind die Schalker mit der Idee an uns herangetreten, eine ähnliche Aktion zu machen. Wir haben denen dann einfach mit unseren Learnings aus den ersten eineinhalb Wochen unter die Arme gegriffen. Die Aktion ist mittlerweile auch schon echt groß geworden: Die Jungs dort haben mal eben innerhalb von drei Tagen 3000 T-Shirts verkauft. Das ist schon eine Hausnummer.

Ich kann aus eigener Erfahrung nur sagen: Die Dankbarkeit, die Läden bzw. Einzelhändler mir persönlich gerade geben, ist viel mehr wert als das Geld, was ich denen geben kann. Es entsteht einfach eine unfassbare Verbindung und eine geile Community. Und genau sowas brauchen wir gerade in der Gesellschaft!

Marc König im MitGedacht.-Interview

Wenn wir bei Zahlen sind: Wie sieht es denn bei Euch aus? Wie groß ist die Aktion schon?
Wir haben insgesamt schon 65.000 Euro Umsatz generiert. Das ist schon eine Menge! 

Wieviel kommt am Ende denn bei den Einzelhändler an?
Pro Shirt gehen 10 Euro an die jeweiligen „Local Heroes“. Das Shirt kostet uns 5,55 Euro in der Produktion und 3,80 Euro Steuern. Dazu gibt es noch „variable Transaktionsgebühren“ – je nach Bezahlmethode und Versand oder Auslieferung. Also das ganze Projekt ist zu 100 Prozent „Non-Profit“. und das macht mich stolz!

Abschließend: Was liegt Dir noch auf dem Herzen? Was willst Du den Leuten draußen mitgeben?!
Ich könnte jetzt mit den üblichen Floskeln kommen. Wichtig ist mir aber eigentlich nur eines: Unterstützt Eure „Local Heroes“! Egal ob über unsere Aktion oder auch das Essensangebot in der Nachbarschaft. Bestellt mal Essen! Wir geben gerade sowieso keine Kohle aus, da kann man dann auch mal die Pizzeria um die Ecke supporten. Das alles fällt für mich unter die Kategorie, mal wieder ein Gefühl für die eigene Stadt zu bekommen. Amazon ist schließlich nicht alles. Ich kann aus eigener Erfahrung nur sagen: Die Dankbarkeit, die Läden bzw. Einzelhändler mir persönlich gerade geben, ist viel mehr wert als das Geld, was ich denen geben kann. Es entsteht einfach eine unfassbare Verbindung und eine geile Community. Und genau sowas brauchen wir gerade in der Gesellschaft! Für alle gilt: Seid kreativ! Wenn jemand das Projekt für sein Dorf adaptieren will: immer gerne. Ruft mich an, wir machen das! Wir haben kein Patent auf Gutes tun! 

Marc, wir danken Dir herzlichst für die Zeit und das Gespräch!

Wir haben uns in der Corona-Krise bereits mit der Rolle von Fanszenen auseinandergesetzt. Den Beitrag findet ihr hier – die anderen drei Teile sind ebenfalls weiter verfügbar.

4 Gedanken zu „„Wir haben kein Patent auf Gutes tun!“ – ‘Support Your Local Heroes’ im Interview

  • 19. April 2020 um 12:36
    Permalink

    Respekt an dich und an alle die an dem Projekt beteiligt sind.
    Und Glückwunsch zum Erfolg

    Antwort
  • 19. April 2020 um 13:50
    Permalink

    Die pösen pösen Ultras wollen sich mit der Aktion doch nur wieder profilieren. 😉

    Antwort
  • 22. April 2020 um 10:46
    Permalink

    Verdammte Ultras! Reine Selbstdarstellung. #kennzeichnungspflichtiger_humorbeitrag

    #chapeau3000

    Antwort

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