Auf nach Bern!

Endlich haben wir Gewissheit: Die Young Boys Bern sind unser Gegner in der Champions-League-Quali. Damit hat unsere Borussia das vermeintlich leichteste Los erwischt. Doch Obacht, das Team aus der Schweiz ist bei Leibe keine Laufkundschaft. Unser Gegnerportrait.

Schön Goethe wusste um die Attraktivität der Stadt Bern. „Sie ist die Schönste, die wir je gesehen haben“, schrieb der Frankfurter Dichter einst an seine Freundin Charlotte von Stein. Und in der Tat ist Bern ein wirklich charmantes Fleckchen Erde. Die Altstadt, malerisch umrahmt von der Aare, lädt zum Verweilen ein. Auch das UNESCO-Komitee erkannte dies und verlieh ihr 1983 das Siegel „Weltkulturerbe“.

Doch nicht allein der schönen Gässchen oder des ein oder anderen Gourmethäuschens (gute Schweizer Küche von Bauernmahlzeit über leichte Cuisine du Marché bis zur süßen Spezialität „Berner Platte“) wegen lohnt sich ein Besuch im Mittelland. Die schweizerische Bundeshauptstadt bietet auch in sportlicher Hinsicht einige Highlights.

Fan-Liebe hängt nicht von Erfolg ab

Mit dem Eishockey Club SC Bern und den Fußballern der Young Boys beherbergt die Stadt zwei der traditionsreichsten Sportvereine unseres Nachbarlandes. Während die Kufencracks in diesem Jahr überraschend den Meistertitel feierten, müssen die Fans des runden Leders mittlerweile schon seit 30 Jahren auf einen nationalen Titel warten. Doch ähnlich wie bei uns in der Vitusstadt tut auch die vermeintliche Erfolgslosigkeit der Euphorie am Berner Sport Club Young Boys, wie er offiziell heißt, keinen Abbruch. Liebe kann eben nicht nur in gewonnenem Edelmetall bemessen werden!

Überhaupt besitzen die Young Boys eine treue und aktive Fangemeinschaft. Mit knapp 16.000 verkauften Dauerkarten sind die Berner – im Kontext ihrer Mitgliedszahlen betrachtet – der zweitgrößte Verein der Schweiz. Darüber hinaus macht der Club, dessen Ultra-Gruppierungen unter dem Namen “Ostkurve” auftreten, viel in Sachen lebendiger Fankultur. Es werden regelmäßig Fanmärsche organisert und mit den “Wankdorf Junxx” war der BSC Vorreiter im sonst so konservativen Nachbarland: es war der erste schwul-lesbische Fanclub des Landes!

Young Boys sorgten für Überraschung

Der 11-malige Meister, mit den schwarz-gelben Vereinsfarben, hat anders als die Mannen von Andre Schubert schon eine Quali-Runde hinter sich. Etwas überraschend setzten sie sich gegen den Dauer-CL-Teilnehmer und ukrainischen Spitzenclub Schachtjor Donezk durch. Nach einem Krimi im heimischen Stade de Suisse (32.000 Plätze), zwang die Truppe von Adi Hütter den haushohen Favoriten im Elfmeterschießen in die Knie. Hatten die Medien in der Schweiz noch von einer „unmöglichen Aufgabe“ gesprochen – immerhin ging das Hinspiel mit 0:2 verloren -, überschlugen sie sich am Donnerstag mit Lobpreisungen.

„Mit Köpfchen und viel Einsatz, aber immer weniger Kraft kämpften sich die Berner ins Penaltyschiessen“, schrieb die NZZ. Der Sieg, so der Autor weiter, sei „der Lohn für die ständige Aufmüpfigkeit“ gewesen. Die Berner kämpften verbissen und bemühten die berühmten Tugenden, die es bedarf, um im Fußball auch einmal Unmögliches zu schaffen. Überhaupt sollte diese Partie für unsere Borussia mehr denn je zeigen, dass auch ein solcher Gegner absolut ernst zu nehmen ist. Und das, obwohl die Truppe um den ehemaligen Berliner Steve van Bergen keine Unbekannte ist.

Ein Team voll im Saft

Erst zu Beginn der Vorbereitung Mitte Juli trafen beide Teams im Rahmen eines kleinen Turniers aufeinander. Die Fohlenelf gewann damals nach Elfmeterschießen, doch die Erkenntnisse des 8:7-Sieges werden sicher kein Gradmesser für die anstehenden Quali-Spiele sein. Viel entscheidender ist, dass die Schweizer-Profis in der dritten August-Woche voll im Saft stehen werden: die dortige Raiffeisen Super League läuft nämlich schon seit zwei Spieltagen. Für Gladbach wird es hingegen die erste Pflichtspielaufgabe der neuen Saison sein. Und mit den ersten Saisonspielen haben wir ja auch schon so unsere leidlichen Erfahrungen machen dürfen: vor allem nach dem letzten Jahr sollten wir gewarnt sein!

Doch damit auch wir auf der Tribüne ähnlich gut vorbereitet sind, lohnt sich noch ein Blick auf die Mannschaft des letztjährigen Vize-Meisters. Haben sie hinten im Tor mit Marco Wölfi das Berner Urgestein im Kader (seit 1998 im Club), verfügt auch die restliche Truppe über reichlich Erfahrung. In der Abwehrzentrale bildet der eben erwähnte Steve van Bergen gemeinsam mit Alain Rochat eine nicht nur erfahrene (zusammen 66 Jahre), sondern auch äußerst sattelfeste Defensive. Im Mittelfeld zieht der Ivorer Sanogo die Fäden, während auf Linksaußen Miralem Sulejmani die gegnerischen Außenverteidiger beschäftigt. Moment, Sulejmani? War da nicht was?

Lissabon statt Niederrhein

Aber ja doch. Miralem Sulejmani war Gerüchten zu folge vor vier Jahren auch mal bei unserer Borussia im Gespräch. Das damals als erfolgversprechendes serbisches Talent gepriesene fand damals von Ajax Amsterdam allerdings nicht den Weg an den linken Niederrhein, sondern schloss sich dem portugiesischen Spitzenclub Benfica Lissabon an. Und jetzt Bern. Kann halt nicht alles klappen. Bleibt zu hoffen, dass sein angedeutetes Talent auch in den beiden Partien gegen die Jungs um Neu-Kapitän Lars Stindl im Verborgenen bleibt.

Abgerundet wird die Stammbesetzung des knapp vierzig Millionen schweren Kaders im Übrigen vom französischen Sturmtank Guillaume Hoarau. Der 32-jährige ehemalige Nationalspieler hatte sein Karrierehoch in der Vor-Ibrahimovic-Phase beim Scheich-Klub von Paris St. Germain. Setzen wir seine 11,5 Millionen Euro Marktwerk aus dem Jahre 2010 in Relation zu den heutigen, horrenden Summen, die schon für Mittelklassekicker aufgerufen werden, kann sich jeder vorstellen, was die Expertenschar in dem Mittelstürmer schlummern sah.

Wir sehen, auf unsere Borussia wartet sicher kein einfacher Gegner, sondern eine gute, mit reichlich Qualität gespickte Kämpfer-Truppe. Vorsicht also! Dennoch dürfen wir uns berechtigte Hoffnungen machen, dass es auch in diesem Jahr wieder in die CL-Gruppenphase gehen kann. In jedem Fall lohnt sich wieder einmal der Weg ins Nachbarland.

Machen wir uns also auf zum Buchhändler unseres Vertrauens, besorgen uns den Reiseführer, checken die besten Reiserouten mit Auto oder Bus und nisten uns in Hotels und Hostels ein. Denn das Beste geht wieder los: Die Raute durch Europa tragen!


Foto zu diesem Beitrag: Young Boys Bern - Twitter.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert