Kleine: “Borussia ist eine Herzensangelegenheit!”

Am Dienstagabend spielt die Fohlenelf im DFB-Pokal-Achtelfinale gegen die SpVgg Greuther Fürth. Wenn man an den Zweitligisten und dessen Beziehungen zu Borussia denkt, kommt man schnell auf Thomas Kleine. Zwischen 2008 und 2010 spielte der inzwischen 39-Jährige für unsere Fohlenelf. Davor und danach lief er – unter anderem als Kapitän – für Greuther Fürth auf. Wir haben uns vor dem DFB-Pokal-Spiel etwas ausführlicher mit unserem früheren Abwehr-Recken unterhalten, der mittlerweile die U23 in Fürth trainiert.

Thomas, Deine Frau kommt aus Mönchengladbach, du hast hier geheiratet und zweieinhalb Jahre bei Borussia gespielt. Wie sehr bist Du mit Mönchengladbach und der Borussia verbunden?
Sehr eng. Ich hatte hier zweieinhalb tolle Jahre und habe bis heute Kontakt zu einigen alten Kollegen, vor allem zu Christofer Heimeroth und Tony Jantschke. Meine Frau und meine Kinder leben auch heute noch in Mönchengladbach. Deshalb bin ich auch immer mal wieder im Borussia-Park zu Gast. Zuletzt gegen Wolfsburg vor der Winterpause.

In einem Interview hast Du mal gesagt, dass die SpVgg Greuther Fürth eine Herzensangelegenheit sei. Was ist Borussia für Dich?
Die ist sicher auch eine Herzensangelegenheit. Wie schon gesagt: Ich hatte eine Wahnsinnszeit hier, der Aufstieg war die Krönung. Das war für uns damals wie eine Meisterschaft und ein ganz besonderer Moment.

Du hast 2002 mit Leverkusen im Champions-League-Finale gestanden. Hand aufs Herz: Zweitligameister mit Borussia oder Champions League-Finalist mit Bayer – was ist geiler?
Also in dem Fall dann schon die Zweitligameisterschaft mit Borussia (lacht). Das war damals einfach eine tolle Truppe. Es gab nie einen Zweifel, dass wir den Aufstieg packen würden. Wir haben auch außerhalb des Feldes viel unternommen und uns richtig gut verstanden. Das war wohl unsere Stärke.

Wir merken, was Borussia Dir noch bedeutet. Dann ist das DFB-Pokal-Spiel Fürth gegen Borussia sicher ein spezielles für Dich, oder?
Auf jeden Fall! Ich habe in den vergangenen Jahren die Auslosungen immer live verfolgt und gehofft, dass es irgendwann mal zu diesem Aufeinandertreffen kommen würde. Dieses Mal hat es dann geklappt, das freut mich riesig. Für mich waren auch damals die Spiele mit Borussia gegen Fürth immer schon ganz besondere Duelle. Beide Vereine liegen mir am Herzen.

Du hast heute einen Blick von außen auf die Borussia, kennst den Verein aber auch aus der Innensicht. Was zeichnet Borussia Mönchengladbach aus?
In erster Linie sicher die Fans und die Atmosphäre. Damals war die Situation ja noch ganz anders und trotzdem war das Stadion immer ziemlich voll. Ich erinnere mich noch gut an mein erstes Spiel: Freitagabend, zweite Liga, Heimspiel gegen Kaiserslautern. Da waren fast 40.000 Zuschauer im Stadion. Wahnsinn! Ich finde es schon faszinierend, dass es im ganzen Land Borussia-Fans gibt. Selbst hier im Frankenland kenne ich zahlreiche Fanclubs.

Zu denen Du auch Kontakt hast?
Ja, eigentlich schon – wenn auch eher sporadisch. Was aber auffällt: immer wieder wird mir mal ein Borussia-Trikot zur Unterschrift gereicht. Nach all den Jahren ist das schon irgendwie verrückt. Ich war vor einiger Zeit auch noch einmal bei einer Fanclubveranstaltung hier in der Gegend. Da war mein Kumpel Christofer Heimeroth als Spieler zu Gast.

Als Du 2008 kamst, galt Borussia noch als Fahrstuhlmannschaft. Für den ganzen Verein war der Aufstieg sehr wichtig, am Ende habt ihr es zum Glück gepackt. Hat sich die Unterstützung der Fans in dieser Zeit von der bei anderen Vereinen unterschieden?
Soweit ich das beurteilen kann: definitiv! Ich glaube, das hat etwas mit der Mentalität am Niederrhein zu tun. Nach dem Abstieg oder wenn es mal nicht so lief, habe ich in Mönchengladbach nie so eine Unruhe gespürt wie vielleicht bei anderen Vereinen. Das hat uns als Mannschaft sehr geholfen. Ehrlich: Wir hatten 2007/08 nie einen Zweifel daran, dass wir es packen – auch dank der Fans, die uns unglaublich unterstützt haben.

Dieses Tor von Colautti damals war Ekstase pur. Ich saß ja auf der Bank. Als das Tor fiel, sind alle zusammen zur Eckfahne gesprintet. Da standen Laptops, Kameras und andere Sachen einiger TV- Journalisten. Die mussten sich und die Sachen erst einmal hinter ihrem Tisch in Sicherheit bringen. Alle sind durchgedreht.

Gibt’s eigentlich noch spezielle Erinnerungen an die Aufstiegsfeier?
Die Frage sollte doch eher sein, ob es überhaupt Erinnerungen gibt (lacht). Nein, ganz so schlimm war es auch wieder nicht, es ist alles im Rahmen geblieben. Obwohl wir sogar einen Tag zusammen auf Mallorca waren.

Jetzt sind wir aber auf die Aufstiegs-Anekdote von Thomas Kleine gespannt!
Naja, das mit den abrasierten Haaren ist schon hängen geblieben. Ich konnte mich zum Glück dagegen wehren. Einige Jungs haben es aber gemacht. Im Nachhinein muss ich gestehen: Die sahen teilweise nicht wirklich gut aus.

Wir sind neugierig: Wer sah denn besonders schlimm aus?
Also zu Sascha Rösler oder Olli Neuville möchte ich lieber mal nichts sagen. (grinst) Die sahen nachher schon sehr ungewohnt aus…

Neuvilles Haare sind ja bis heute verschollen…
… das war wohl das Risiko (lacht). Aber heute hat man sich bei Olli doch schon daran gewöhnt. Bei Roel Brouwers fand ich es damals sogar echt gut. Jedenfalls hatten wir alle einen Riesen-Spaß in dieser Zeit.

Kommen wir zur Bundesliga-Saison nach dem Aufstieg. Da gab es dieses unfassbare Spiel gegen Schalke – mit dem fast schon legendären Tor von Roberto Colautti. Viele Experten hatten Euch damals schon abgeschrieben. Wieso habt ihr dennoch die Klasse gehalten?
Der Grund hieß Hans Meyer. Er hat uns in der Situation sehr geholfen, uns auf jedes Spiel absolut top eingestellt. So kam dann irgendwann der Glaube zurück. Ihr habt absolut Recht: Dieses Tor von Colautti damals war Ekstase pur. Ich saß ja auf der Bank. Als das Tor fiel, sind alle zusammen zur Eckfahne gesprintet. Da standen Laptops, Kameras und andere Sachen einiger TV- Journalisten. Die mussten sich und die Sachen erst einmal hinter ihrem Tisch in Sicherheit bringen. Alle sind durchgedreht. Ich weiß nicht, ob es so einen Torjubel noch häufig gegeben hat.

2010 wurde dein Vertrag nicht verlängert, es hieß Abschied nehmen von Borussia und Mönchengladbach. Wärst Du gerne noch geblieben?
Ja, klar! Ich hatte hier eine gute Zeit, dementsprechend geht man nie gerne. Zum Glück konnte ich rechtzeitig planen und habe mich dann zur Rückkehr zur SpVgg Greuther Fürth entschieden. Dort hatte ich nach den verpassten Aufstiegen auch noch eine Rechnung offen. Insofern passte das dann auch.

Das klingt nicht nach bösem Blut…
Ganz und gar nicht! Borussias sportliche Leitung hat immer offen mit mir gesprochen. Ich habe dann sehr genau mit meiner Familie überlegt und mich letztlich für Greuther Fürth entschieden. Außerdem muss ich ja zugeben, dass ich auch nicht mehr der Jüngste war. Das ist alles im Guten auseinandergegangen.

Aus meiner Sicht zeichnet genau das Borussia auch aus. Nehmen wir die Situation vor der Winterpause: Auch nach der eher unruhigen Hinrunde wurde längst nicht alles in Frage gestellt. Als ich gegen Wolfsburg im Stadion war, hatte ich nicht das Gefühl, dass der Verein total nervös sei. Die Fans waren zwar unzufrieden, aber keinesfalls panisch. Auf dieser Basis konnte dann in Ruhe die Situation analysiert werden.

Aus der damaligen Zeit sind nur noch Tony Jantschke, Patrick Hermann und Christofer Heimeroth bei Borussia. Wie ist der Kontakt in den Verein heute?
Zu Christofer und Tony habe ich ja schon etwas gesagt: Wir sind gut befreundet. Aber auch zu Patrick besteht noch Kontakt. Wie gesagt: Wenn es passt, bin ich auch immer mal wieder im oder am Borussia-Park zu Gast. Dann freut man sich auf die Jungs, aber auch auf den einen oder anderen Mitarbeiter. Auch zu den sportlich Verantwortlichen ist das Verhältnis noch immer da. Mit Steffen Korrell und Max Eberl spreche oder schreibe ich ab und an.

Wie steht es eigentlich um die Freundschaft zu Marco Reus. Er und Christopher Heimeroth waren zu Deiner Hochzeit eingeladen?
Die waren auch da. Ich hatte auch noch ein paar andere Jungs eingeladen, leider war der eine oder andere zu der Zeit im Urlaub. Mit Marco habe ich heute noch regelmäßigen Kontakt. Es ist aber natürlich schwieriger, da er wegen den internationalen Spielen und der Nationalmannschaft immer wieder unterwegs ist. Daher beschränkt sich das im Moment eher auf den Austausch per Smartphone.

Um nochmal ein wenig über das Sportliche zu sprechen: Hättest Du gedacht, dass Borussia sich so schnell zu einem Teilnehmer im Europapokal entwickelt?
Nein. Zumindest nicht, dass es so schnell gehen würde. Das spricht aber für die gute Arbeit im Verein und die Ruhe im Umfeld. Aus meiner Sicht zeichnet genau das Borussia auch aus. Nehmen wir die Situation vor der Winterpause: Auch nach der eher unruhigen Hinrunde wurde längst nicht alles in Frage gestellt. Als ich gegen Wolfsburg im Stadion war, hatte ich nicht das Gefühl, dass der Verein total nervös sei. Die Fans waren zwar unzufrieden, aber keinesfalls panisch. Auf dieser Basis konnte dann in Ruhe die Situation analysiert werden.

Wie bewertest Du die aktuelle Situation nach der angesprochenen turbulenten Hinrunde und dem Trainerwechsel Schubert/Hecking?
Ich würde das nicht zu hoch hängen. Der Verein hat in den vergangenen Jahren eine wahnsinnige Entwicklung genommen – übrigens auch dank und mit André Schubert. Zum Fußball gehören aber leider auch Phasen dazu, in denen es nicht zu hundert Prozent läuft. Es kann nicht immer nur nach oben gehen. Ich finde, dass sich jeder Borusse immer die Ergebnisse der vergangenen Jahre vor Augen führen muss: Wenn man die Entwicklung des Vereins in ihrer Gesamtheit sieht, ist das schon außergewöhnlich.

Dennoch steigt mit dem Erfolg auch die Erwartung im Umfeld und bei den Fans. Ist das nicht normal?
Doch, das ist völlig normal und auch überhaupt nicht schlimm. Dann sind die Verantwortlichen gefragt, mit dieser veränderten Erwartungshaltung umzugehen und diese realistisch einzuordnen. Das ist in Gladbach bislang sehr gut gelungen, auch mit der Wahl des neuen Trainers. Ich kenne Dieter Hecking ja noch aus Hannover und habe ihm bereits zum neuen Job gratuliert. Er passt wirklich gut zur Borussia.

Du bist jetzt selber Trainer. Wolltest Du schon immer Coach werden?
Tatsächlich ja. Ich war ja als Spieler schon Kapitän in Fürth. Man sagt ja häufig, der Kapitän sei der verlängerte Arm des Trainers. Rückblickend kann ich sagen: Da ist was dran. Man bekommt schon sehr besonders mit, wie ein Trainer denkt und wie er tickt. Diese Erfahrung will ich weitergeben.

In einem Interview hast Du dich einmal als „ehrgeizig, pünktlich und zuverlässig“ beschrieben. Bist Du ein strenger Trainer?
‘Streng‘ ist ein schwieriges Wort. Ich versuche schon klare Regeln zu haben, ohne den persönlichen Kontakt zu den Spielern zu verlieren. Das sind ja auch Jungs oder junge Männer, auf die viel zukommt. Die stehen auf dem Sprung zum Profifußball oder machen dort gerade ihre ersten Schritte. Da brauchen sie einen Trainer, der ihnen klare Anweisungen gibt, ohne zu autoritär zu wirken.

Wir haben hier schon einige vermeintliche Favoriten vor Probleme gestellt. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch: Vor einigen Jahren sind wir mehr als unglücklich im Pokal-Halbfinale in der Verlängerung an Dortmund gescheitert. Das Ziel ist auch jetzt klar: Wir wollen weiterkommen!

Wie „ehrgeizig, pünktlich und zuverlässig“ war denn der junge Thomas Kleine?
Sehr, auch wenn sich das rückblickend komisch anhört. Ich habe fußballerisch sicher nicht immer alles richtiggemacht, war aber diszipliniert und ehrgeizig. Das musste ich aber auch sein, weil ich damals bei den Leverkusener Amateuren von meinen Anlagen her nicht zu den besten Spielern zählte. Das bestätigt mir mein Trainer Peter Hermann übrigens heute noch (lacht). Er meint das aber gar nicht böse, denn von seinen damaligen Schützlingen habe ich es mit am Weitesten gebracht. Das zeigt, dass Talent eben nicht alles ist und man auch von der Einstellung, vom Einsatz und vom Kampf sehr gut sein muss. Genau das versuche ich den Jungs heute auch zu vermitteln – ohne dabei besonders streng zu sein.

Einstellung, Einsatz, Kampf – das sind Attribute, die perfekt zum DFB-Pokal passen. Kommen wir also abschließend zur Partie am Dienstag: Auf dem Papier ist die Borussia favorisiert. Wie stehen die Chancen für die Kleeblätter?
Dass die Borussia als Bundesligist und Europapokalteilnehmer als klarer Favorit ins Spiel geht, ist logisch. Dennoch haben wir eine Chance, die wir nutzen möchten. Wir haben in der zweiten Runde mit den Mainzern ja bereits einen anderen Erstligisten bezwungen. Es geht also. Und wir haben in den letzten Jahren mehrfach bewiesen, dass wir auch Rückstände gegen höherklassige Teams drehen können.

Worauf wird sich Borussia im Sportpark Ronhof einstellen müssen?
Dass wir zuhause durchaus spielstark sind und voll motiviert zu Werke gehen werden. Wir haben hier schon einige vermeintliche Favoriten vor Probleme gestellt. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch: Vor einigen Jahren sind wir mehr als unglücklich im Pokal-Halbfinale in der Verlängerung an Dortmund gescheitert. Das Ziel ist auch jetzt klar: Wir wollen weiterkommen!

Wir gehen davon aus, dass Du im Stadion sein wirst. Wem drückst Du denn die Daumen?
Auch wenn mir beide Vereine am Herzen liegen, hoffe ich natürlich, dass mein aktueller Verein eine Runde weiterkommt. Vielleicht gewinnt Borussia ja dann einfach die Europa League. Wir den nationalen und ihr einen internationalen Pokal. Dann wären doch alle glücklich, oder? (lacht)

Glücklich ja, aber ob das so realistisch ist, wissen wir nicht. Du wirst es uns hoffentlich nicht übelnehmen, aber wir hoffen, dass Borussia in Fürth weiterkommt. Wen wünschst du uns denn als Gegner im Viertelfinale?
Kein Kommentar! Ich freue mich auf das Spiel und spekuliere jetzt einfach mal, dass wir am Ende im Elfmeterschießen weiterkommen. Weil ich aber ja weiß, wie groß die Sehnsucht in Gladbach nach einem Pokal-Endspiel in Berlin ist, drücke ich euch im kommenden Jahr umso mehr die Daumen! (grinst)

Thomas, Danke für das nette Gespräch!

Foto zu diesem Beitrag: SpVgg Greuther Fürth

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