Drei Punkte.

Ein immenses Polizeiaufkommen, eine verregnete Demonstration zum Erhalt der Fankultur und drei Punkte gegen den Erzrivalen. Der vergangene Samstag hatte auf dem Papier Einiges zu bieten – und war dennoch ein Tag zum Vergessen. Unser Nachbericht.

Für uns stand von vornherein fest, dass wir direkt vor Ort sein wollten, wenn das Grüppchen Kölner durch die Straßen zieht. So machten wir uns in aller Herrgottsfrühe auf ins nasskalte Rheydt und suchten uns zunächst mal ein kleines Café im Herzen des Städtchens. Was uns allerdings schon gegen neun Uhr auf unserem Wege alles begegnete, erinnerte eher an eine gut bewachte montägliche Hetzveranstaltung im Osten der Republik als an eine Demonstration für den „Erhalt der Fankultur“. Hundertschaften an jeder Häuserecke, kleine Grüppchen patrouillierender SKB´s und sogar ein Wasserwerfer hatte sich in den 1975 eingemeindeten Stadtteil verirrt. Was sollte uns hier wohl heute alles erwarten?

Nachdem Polizeisprecher Willy Theveßen gegen elf verkündete, dass sich die rot-weiße Anhängerschar nun auf Gladbacher Stadtgebiet befände, machten auch wir uns auf in Richtung Bahnhof. Vorbei an verwaisten Ladenzeilen („Das Geschäft bleibt heute aus Sicherheitsgründen geschlossen“), besorgten Bürgerinnen („Das hat wirklich nichts mehr mit Fußball zu tun“, „Das soll alles mal die FIFA zahlen. Mafia.“) und unzähligen Polizeibeamten („Leider kann ich Ihnen nicht weiterhelfen, wir sind aus Sachsen einbestellt worden“), gelangten wir problemlos zum Demo-Zug. Und da stand er vor uns, der müde Mob in dieser grausamen Farbenkombination und sang was von Medienhetze, Lügen und Stadionverbot. Na, Weltklasse.

Selbst gute Ideen retten keine Idioten 

Wie wir unlängst breit erklärten stehen wir inhaltlich hinter der Kölner Anhängerschaft und respektieren ihr Anliegen für den Erhalt einer freien Fankultur. Dennoch konnten wir auch an Samstagfrüh noch immer nicht nachvollziehen, warum sie genau das in den Straßen der Vitusstadt machen mussten. Knapp 650 Anhänger hatten sich versammelt und hielten eifrig ihre selbstgemalten Schilder hoch, die die altbekannten Slogan trugen: „Emotionen zulassen“, „Freiheit für Ultras“, „Fußballmafia DFB“ oder auch „VFL merda“. Moment? „VFL merda“? Natürlich, es kam wie es kommen musste. Auf die einstudierten Lieder zur Fankultur und Repressalien musste seitens der Domstädter natürlich noch der Schmachgesang „Wir schmeißen Stein um Stein“ angestimmt werden. In unseren Augen genau der Punkt, der die Provokation auf die Spitze treibt – allerdings auch zu erwarten war. Der Punkt, der zeigt, weshalb viele von den „Mitläufern“ der Kölner Szene überhaupt nach Gladbach fuhren: Um zu provozieren. Kleines Beispiel gefällig?

Als wir dem Kölner Trupp erstmals unter dem Bahnhofsübergang an der Dahlener Straße gegenüber standen, bemühten wir Fassung zu bewahren: „Heute geht es um die Sache“, sagten wir zu uns selbst. „Sehen wir es positiv: Immerhin weint auch der Himmel und die Jungs können pitschenass später in die überfüllte Regionalbahn steigen“. Irgendwie waren wir versöhnlich und doch kam es, wie es kommen musste. Einer von uns sprach einen Fotografen an und fragte ihn nach der Banneraufschrift. Dieser wiederrum gab ihm freundlich direkt einen Flyer der Gruppe „Navajos“, in dem aus Kölner Sicht der Boykott erklärte wurde.

Doch diese Situation rief weitere wohl szenenahe Leute auf den Plan und was folgte war der typische Trash-Talk. Trotz ziviler Kleidung schienen wir identifiziert. „Verpisst Euch“ und „Geht laufen“ waren noch die nettesten Begriffe, die uns entgegnet wurden. Und das auf den Straßen der „eigenen“ Stadt. Unser kleiner Versuch eines Dialoges wurde im Keim erstickt. Schade eigentlich, denn schließlich ging es um die Sache. Vielleicht war es doch zu naiv zu denken, dass man sich am Rande der Demonstration zumindest im Vier-Augen-Gespräch kurz austauschen könnte. Eine kleine Stimme, vielleicht ein zitierbares Statement. Doch Köln ist und bleibt halt Köln. Oder um es mit den Worten eines Polizisten von Samstag zu sagen: „Wenn Du Dir die Idioten in der ersten Reihe ansiehst, weißt Du weshalb die auch in unserem Lager so unbeliebt sind.“

Maue Partie mit maximaler Punkteausbeute

Doch an dem Samstag wurde ja nicht nur demonstriert sondern auch gegen den Ball getreten. So ging es für uns im Anschluss an die Erlebnisse in Rheydt auf zum Borussia-Park. In ein Stadion, in dem über 90 Minuten nicht so richtig Stimmung aufkommen wollte. Die Gladbacher Ultraszene hielt sich stoisch an den ausgerufenen Boykott. Kein Mucks, noch nicht einmal ein Klatschen. Stattdessen einige böse Blicke bei den ersten Support-Versuchen. Die starteten übrigens stark. Die Nordkurve präsentierte sich zur Elf vom Niederrhein und in den ersten Minuten lautstark. Über die gesamte Partie verflachte die Stimmung aber. Dazu aber in den kommenden Tagen noch einmal mehr!

Trotz des Boykott-Aufrufs der Kölner Fanszene fand sich immer noch eine ordentliche Anzahl von „Effzeh“-Anhängern im Gästeblock ein. Auch diese versuchten es mit einer kleinen „Choreo“, in dem sie beim Einlauf Luftballons hochhielten. Die miserable Umsetzung unterstützte den Boykott allerdings nur noch mehr. Dennoch muss klar konstatieren: Ein nahezu komplett leerer Gästeblock, wie im September in Müngersdorf, wäre zweifelsohne deutlich eindrucksvoller und ausdrucksstärker gewesen.

Durchwachsenes Spiel der Schubert-Elf

Die Begegnung auf dem Platz passte sich von Minute zu Minute der Stimmung im weiten Rund und des Wetters an: Es blieb blass und bescheiden. Doch reichte dies unserer Borussia an diesem Nachmittag für drei Punkte. Ein Geistesblitz von Raffael und der abgezockte Torabschluss von Mittelfeld-Juwel Mo Dahoud machten den 52. Derbysieg für die Schubert-Elf perfekt. Ein Erfolg der uns ein kleines Lächeln auf die Pausbäckchen zauberte, aber dennoch nicht wirklich nachwirkt. Leider. Die Ereignisse vor der Partie, all die Diskussionen in den Tagen und Wochen zuvor scheinen reichlich Kraft gekostet zu haben. Hoffen wir, dass zumindest die Mannschaft sich davon in den nächsten Spielen nicht auch noch anstecken lässt.

Zumal sich die Schubert-Elf auch weiter verbessern muss. Auch wenn das Ergebnis letztlich stimmte, konnte die Mannschaft nicht restlos überzeugen. Weiterhin steht bei dieser Kritik das Umschaltverhalten von Offensive in Defensive (und umgekehrt) im Vordergrund. Besonders im zweiten Abschnitt schaffte es ein schwacher „Effzeh“ mit einfachsten Mitteln das Mittelfeld der Borussia auszuhebeln. Und: Vorne fehlte zumindest in diesem Spiel die Zielstrebigkeit. Hoffen wir, dass Schubert und seine Elf diese aber mit dem Rückenwind eines Derbys schnell zurückgewinnen. Wir drücken den Jungs die Daumen.

Letztlich sind wir uns einig, dass wir so ein Derby nicht noch einmal erleben wollen. Wir wollen volle Stadien. Wir wollen eine einmalige Derby-Atmosphäre. Und wir wollen keine Kölner Prolls durch unsere Straßen ziehen sehen. Das Positivste war am langen Ende einzig der Dreier für unseren VFL – nicht mehr, nicht weniger. Das macht uns Mut für die Zukunft. Zumindest für die, die wir tabellarisch festhalten können. 

Beitrag zu diesem Bild: MitGedacht.

4 Gedanken zu „Drei Punkte.

  • 23. Februar 2016 um 8:14
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    Die Derbys leben von der Fanszene , der DFB sollte sich zu diesem Thema doch bitte mal äußern , denn was da abgezogen wurde von wegen Namensregestrierung etc. das kann es ja wohl nicht sein. Mein Gott es ist immer noch Fußball. des Deutschen liebster Sport!! Eines noch zum Spiel , Gladbach spielte die erste Hälfte souverän , die zweite allerdings zu fahrig und zu leichtfertig . Alles in allem war der Sieg verdient , aber ca. ab der 70. wurde das Mittelfeld zu leicht überbrückt und das darf nicht passieren.

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  • 23. Februar 2016 um 11:49
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    zum Thema Personalisierung der Tickets, ich finde es von der DFL und dem DFB gut, wenn die Idioten aus der Domstadt durch deren Fehlverhalten bestraft werden.
    Wenn man nichts zu verbergen hat, spricht doch nichts dagegen seinen Personalausweis zur Identifikation vorzulegen. Durch das Internet und insbesondere durch die sozialen Medien werden eh die persönlichen Daten weitergegeben. Also wo ist das problem dies auch bei einer Kartenbestellung zu machen. Des weiteren sind die Dauerkarten ebenfalls personalisiert, falls es noch keiner mitbekommen und darüber beschwert sich keiner, also warum beschwert man sich dann über die Personalisierung von Auswärtstickets?

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  • 23. Februar 2016 um 15:16
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    Die Stimmung war für das erste mal im “old-school-stil” nach so vielen Jahren schon recht gut. Klar waren mal einige Minuten mit Ruhe dabei und die Liedauswahl war auch etwas begrenzt. Aber lasst die Kurve das mal längere Zeit so durchziehen und man würde sehen daß es immer besser, konstanter und abwechslungsreicher würde. Viele in der Kurve sind durch jahrelanges vorgeben was gesungen werden darf ein bischen eingerostet oder bequem geworden. Für viele in der Kurve war das warscheinlich auch das erste mal überhaupt ohne Vorsänger. Ich glaube, daß auch wenn der support anders war wie sonst, er am Samstag auch einen Anteil am 3 Punkte Gewinn gehabt hat. Daume hoch an alle Fans die mit supportet haben und damit der Mannschaft geholfen haben. Scheiß auf den FC alles für den VfL !!

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  • 23. Februar 2016 um 18:17
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    Herrlich. Man spricht in Fankreisen immer von Differenzierung zwischen verschiedenen Fußballfans, dem Gießkannenprinzip im Bezug auf Stadionverbote, willkürliche Strafen und sonstige Verallgemeinerungen. Das berühmte :“Alle über einen Kamm scheren“

    Teile der Kölner Fanszene haben sich letztes Jahr gehörig daneben genommen, keine Frage. Ebenso besteht kein Zweifel daran, dass dafür Strafen notwendig sind.

    Das Prinzip der personalisierten Karten und der Verringerung des Kartenkontingents werden diese Probleme jedoch nicht lösen, denn ist es nicht um ein vielfacheres schwieriger, 650 Leute außerhalb des Stadions zu überwachen? Sind die Stadien nicht zum jetzigen Zeitpunkt die sichersten, die es jemals gab?

    Im Prinzip ist das die eine Sache, die mich so maßlos aufregt. Seit Jahren geht mir jedoch etwas anderes erheblich gegen den Strich und zwar die unangemessen und unsachliche Betrachtung der Mönchengladbacher Fanszene auf unsere und auf die eigene.

    1. Klau des Banners der ultragruppe Mönchengladbach
    ?? klau eines doppelhalters der ultragruppe Boyz Köln

    2. ungeplanter platzsturm der Kölner Fans im Rückspiel letztes Jahr( Tor in der 92 Min zum 0:1; emotionale Reaktion ist selbstverständlich keine Begründung oder Ausrede für diese Aktion; wer sagt, die maleranzüge wurden dafür verwendet, lebt hinter dem Mond. Es ging dabei um die pyroaktion..

    Geplanter Angriff auf die südkurve mit einem Schwerverletzten letztes Jahr seitens MG
    ?? Im Rückspiel spruchbänder, die absolut unter die Gürtellinie gehen( Nummer des Kölner Krankenhauses, in dem der Schwerverletzte lag)

    Die liste lässt sich auf BEIDEN Seiten unendlich fortführen, Emotionen wie Liebe und Hass bringen Abneigung gegenüber seinem Erzrivalen mit sich, keine Frage. Wie kann es jedoch sein, dass ihr als Fanszene, von Tower bis Ultragruppen über Kutten und Hools so unselbstkritisch an die Dinge herangeht und lediglich unserer Fanszene für alles die Schuld gebt. Als wäre die Kölner Demo in MG die Erfindung schlecht hin( Hannover in Braunschweig, Rostock in Pauli um nur wenige Beispiele zu nennen…)

    Das solch eine Demo provoziert, ist logisch. Aber was ist die Intention einer Demo? Provokation, in den Medien Aufsehen erregen, damit das Thema über möglichst viele Kanäle publik gemacht wird und die breite Öffentlichkeit auf sich aufmerksam macht?
    Eine Demo sollte da stattfinden, wo die Strafen in Kraft treten und das ist weder in Köln , noch in Frankfurt vor der Geschäftsstelle des DFB, sondern in dem Fall in MG!

    Des Weiteren soll doch gezeigt werden, dass die Polizei eine vielfach größere Arbeit damit hat, wenn die Leute eben nicht kontrolliert und von Kameras überwacht ins Stadion gehen, sondern eben durch die Stadt schwirren. Das dümmste was man machen kann in diesem Zusammenhang ist, die Demo ohne Probleme für Polizei und DFB in die eigene Stadt zu verlegen,SORRY! Es gibt doch nichts einfacheres, als solch eine Demo zu überwachen. Der DFB und die Polizei lachen sich ins Fäustchen und sagen sich: Mensch. So einfach geht’s. Wieso nicht immer so? Für uns wird die Arbeit doch stark vereinfacht.

    Natürlich. In MG baut man ja keine scheisse, zündet keine Pyrotechnik, präsentiert keine Materialien der gegnerischen Fans, greift andere Fans nicht körperlich an. Das machen schließlich nur die Kölner..

    Könnt ihr mir verraten, was die 100, in schwarz gekleideten Leute, früh morgens in Rheydt gemacht haben? Stimmt. Die wollten sicherlich auf den oben angesprochenen Dialog zwischen den beiden Fanszenen eingehen, man steht schließlich für das Gleiche ein…Meint ihr ernsthaft, dass eure führende Ultragruppe ein gemeinsames Interview mit Vertretern der Kölner Fanszene machen würden? Lügt euch bitte nicht selbst an.. Ich würde mir wünschen, dass ihr ebenso mal differenziert und kritischer an eigene Fehler rangeht, denn auch ihr seid nicht ohne Fehler. Ich weiß, eigene Fehler einzusehen ist bekanntlich das schwerste und ebenso haben wir Fehler aufzuarbeiten und einzusehen, jedoch sollte man aufhören, seine eigene Borussia Fanszene dermaßen übertrieben in den Himmel zu loben, denn auch ihr seid nicht perfekt..

    Ach ja: grüßt mir Nils, vermisse ihn auf dem Zaun. Oder weiß von euch jemand, wieso er nicht mehr da oben steht?
    Eine Erklärung dafür hätte ich: es waren wieder die Kölner Schuld…

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