Keine Kulisse ohne uns!

„Der HSV holt den ersten Titel der Saison im magentafarbenen Borussia-Park!“ Dass diese Schlagzeile so richtig wäre, lässt tief blicken. Glücklicherweise mieden wir den Borussia-Park am Sonntag. Bilder haben wir aber gesehen. Es hat uns gereicht.

Dass die Lust auf Fußball, oder zumindest Zeit mit den altbekannten Gesichtern zu verbringen, allerdings so langsam wieder kommt, merkte man trotzdem. Es ist doch Jahr für Jahr dasselbe: zu Beginn genießt man die fußballfreie Zeit, spätestens ab Anfang Juli kommt das Kribbeln wieder. In dieser Zeit hatte sich die Saisoneröffnung etabliert. In deren Rahmen ging es vor allem darum, die Fanszene für einen Tag zusammenzubringen. Es sollte gequatscht, wieder gesehen und sich auf die neue Saison eingestimmt werden. Bei Pils, Alt und Würstchen. Ein lockerer Auftakt für die große Familie der Borussia-Fans. Nicht zur Familie zählen: Sponsoren wie die Telekom!

Leider sind wir an dieser Stelle enttäuscht von den Verantwortlichen unseres Vereins. Trotz überragender sportlicher Arbeit der letzten Jahre, haben wir kürzlich bereits das Marketing kritisiert: Muss wirklich jede Möglichkeit genutzt werden mit Sponsoren ins Geschäft zu kommen? Jeder Cent macht sportlichen Erfolg wahrscheinlicher, das stimmt! Aber wenn es auf Kosten der einzigartigen Fanszene geht, dann ist Schluss. Wir haben die Europa-League genossen, wir sehnen die Königsklasse herbei, wir haben aber auch den Abstiegskampf gelebt. Mal mehr und mal weniger erfolgreich. Möglicherweise sehen es viele anders, wir sagen Eberl und Co. aber: für uns steht der sportliche Erfolg nicht zwangsweise über allem. Solange wir ein Verein mit Herz, Charme, Toleranz und möglichst vielen Freiheiten für die Fankultur sind, bleiben wir Borussia. Champions-League ist das Größte in Europa. Für uns ist Borussia aber das Größte der Welt! Wenn ihr ein wenig darauf achtet, nicht auf jeden Marketing-Zug aufzuspringen und den Borussia-Park magentafarben schändet, dann bleibt es das. Auch in 100 Jahren noch. Ein Leben lang. Versprochen!

Dass der aktive Kern der Fanszene sich nicht unterkriegen lässt, zeigten ein paar hundert Borussen verschiedenster Altersklassen zeitgleich im Fanprojekt „de Kull“. Die Ultras von „Sottocultura“ hatten zu einem Blick hinter die Kulissen geladen. Hier gab es Gegrilltes und Getränke zu mehr als fairen Preisen. Die Einnahmen fließen direkt in die Kurve und finanzieren die schöne Stimmung im Borussia-Park. Die Fanszene zahlt so indirekt Fahnen, Choreographien und anderes Material für eine bunte Kurve. Das ganze wird von einem kleinen aktiven Teil, Ultras in diesem Fall, optisch umgesetzt, die dafür viel Liebe, Schweiß und Freizeit investieren. So geht Fankultur.

Ein kurzer Film zeigte die Entstehung der letzten Choreographie. Dieser schöne Einblick wurde durch beeindruckende Bilder und Zahlen abgerundet, die im Nebenraum in einer kleinen Ausstellung präsentiert wurden. So funktioniert eine Vorbereitung von fünf Minuten Choreographie! Aber auch andere Elemente der Fankultur kamen nicht zu kurz. Besonders schön waren die künstlerischen Einwürfe zwei kreativer Köpfe der Ultraszene. Vor versammelten Publikum zeigten die beiden mal eben was Graffiti ist. Eine graue Mauer wurde in verschiedenster Ausführung mit den drei schönsten Buchstaben der Welt verziert – VfL! Auch das karitative Engagement der Jungs von Nordkurve Aktiv wurde vorgestellt und nahm Spenden entgegen. Rechtliche Beratung gab es am Stand der neu gegründeten Fanhilfe. Einen besseren Blick hinter die Kulissen kann es nicht geben. Trotz des Wetters ein schöner Tag. Dank an „de Kull“ „Sottocultura“ und alle aktiven Fans der Borussia!

Einen Blick hinter die Kulissen hatte die Telekom auch versprochen. Allerdings sind die Kulisse doch wir Fans. Die Fahnen, Doppelhalter, Gesänge und manchmal auch ein kleines Feuerwerk. Mit uns Fans hat die Telekom aber nie gesprochen. Das müsst ihr auch gar nicht. Aber dann behauptet doch bitte nicht, dass ihr Einblicke in eine der faszinierendsten Kulturen der Welt habt. Die Fußballfankultur. Und dann auch noch in das heiligste des Heiligen: die Fankultur in Mönchengladbach. Ihr seid Magenta. Ihr bleibt nur die Telekom. Wir sind Borussia!

Schön, dass auch der FPMG Supporters Club diesen Slogan unterstützte. Zur offiziellen Saisoneröffnung blieb das Fanhaus in diesem Jahr geschlossen. Außerdem demonstrierte der erste Vorsitzende Thomas Ludwig zur Eröffnung der Veranstaltung am Sonntag Einigkeit mit dem Veranstalter „Sottocultura“. Er betonte noch einmal, wie wichtig die aktiven Fans für die Emotionen unseres Vereins sind. Viel wichtiger als irgendein Sponsor.

Und liebe Verantwortliche unseres Vereins: Ihr macht großartige Arbeit. Bitte vergesst jetzt im Erfolg nicht, dass es der Zusammenhalt war, der uns so weit gebracht hat. Zusammenhalt zwischen Ultras, Normalos, Kutten, Spielern und Funktionären. Wir wollen die Kommerzialisierung im Fußball hier keinesfalls generell verteufeln. Wir wissen, dass vieles heute im Fußball unabdingbar ist. Sponsoren gehören dort nun mal dazu. Aber wenn Sponsoren wichtiger als Fans und Marketing wichtiger als unsere Farben werden, dann ist für uns klar: Sportlicher Erfolg ist im Fußball vieles – aber niemals alles! Tragt solche Veranstaltungen nicht auf dem Rücken der Fans aus sondern sucht den Dialog. Macht im Erfolg nicht den Fehler uns zu vergessen! Wir wollen nicht viel. Nicht spürbar anders sein oder echte Liebe propagieren. Wir wollen singen, klatschen, hüpfen und uns beim Torjubel in den Armen liegen. Gemeinsam mit unseren Freunden. Vereint unter der Raute und niemals alleine! Aber ab und an dann doch mal ohne Sponsoren. Und jetzt legt endlich das schöne Grün unseres Stadions wieder frei. Im August gibt es wieder lebendige Fankultur. Bunt, kreativ, lautstark und nicht auf Knopfdruck und als Werbeveranstaltung.

Fankultur respektieren, Borussia lieben!

Foto zu diesem Beitrag: Tim Siebmanns

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