Redebedarf: Sexismus bei Borussia

Wer auf einige Ereignisse der letzten Wochen rund um Borussia blickt, kann sich nur schämen. Und da ist der sportliche Aspekt noch komplett zu vernachlässigen. Einmal mehr zeigte sich ein Teil unserer Szene von einer “bedenklichen” Seite.  

Über den Vorfall auf der Sonderzugrückfahrt von München wird weiterhin in den meisten Medien ausführlich berichtet. Der mutmaßliche Täter hat sich gestellt, die Ermittlungen laufen. Mit diesem Fall wird sich die Justiz beschäftigen – das ist nicht unsere Aufgabe. Dass eine solche Tat widerwärtig ist, müssen wir nicht erwähnen. Bei allem Entsetzen über einen solchen Vorfall sollte unsere Fanszene nun allerdings überlegen, wie sie mit so etwas umgeht. Es reicht nicht, die Geschehnisse in Vergessenheit geraten zu lassen.

Die Aufgabe einer aktiven Fanszene ist es, zu hinterfragen, wie es zu einer solchen Tat kommen konnte und wie sowas in Zukunft zu verhindern ist. Immerhin ist es erst wenige Wochen her, als ein junger Mann aus der Nordkurve in einem Regionalzug einer jungen Frau sein Geschlechtsteil zeigte. Wir wollen die beiden Vorfälle unter keinen Umständen gleichsetzen. Dennoch glauben wir, dass derlei Taten in unserer Fanszene passieren, weil Teile der Szene Sexismus tolerieren. Darüber sollte geredet werden!

Es ist in den Tagen nach einer solchen Aktion nicht unsere Aufgabe, einige Medien für ihre – aus der Sicht einiger Fans – skandalisierende Berichterstattung rund um den Vorfall aus dem Sonderzug zu kritisieren. Es ist ebenso wenig unsere Aufgabe, das Image unserer Fanszene nach außen möglichst sauber zu halten. Was wir allerdings schon als Aufgabe sehen: die Benennung eines Problems! Und damit sind wir im Übrigen keinesfalls alleine. Ein Sexismusproblem haben viele andere Fanszenen auch, weil es ein Problem der gesamten Gesellschaft ist. Das bedeutet aber nicht, dass wir als Fanszene von Borussia Mönchengladbach kein Problem haben und es bedeutet ganz sicher auch nicht, dass wir es nicht bekämpfen sollten.

Machen wir uns keine Illusion: Der Fußball ist noch immer ein männerdominierter Sport. Er gilt als Synonym für Männlichkeit. Wenn wir von Fußball reden, geht es eigentlich um Herrenfußball. Möchten wir über Frauenfußball reden, stellen wir das Geschlecht gesondert voran. Auch wenn in den letzten Jahren die Frauen/Mädchen-Fußball-Abteilungen (besonders bei Borussia!) größer geworden sind, prägt der Gedanke eines „männlichen“ Sportes noch immer die Fußball-Kultur.

Eine Schiedsrichterin wie Bibiana Steinhaus wurde im vergangenen Heimspiel nicht – wie ihre männlichen Kollegen – als “Schieber” bepöbelt, sondern musste sich als “Hure” beschimpfen lassen. Scheinbar ging es den Schreihälsen im Bezug auf Steinhaus nicht nur um ihre vermeintlich schlechte Leistung als Schiedsrichterin. Vielleicht stieß es eher sauer auf, dass sie eine Frau ist, die sich in der Männerdomäne durchgesetzt hat?!

Hinzu kommt der geringe Anteil von Mädchen und Frauen in den Bundesligen-Stadien sowie Kerninhalte der Fangesänge, wie „Wir sind alles Gladbacher-Jungs“ oder „Wir sind ein einig‘ Volk von Brüdern…“. Von Weiblichkeit ist weit und breit nichts zu finden. Auch bei der Besetzung der Vereinsgremien sucht man Frauen vergebens.

Warum das alles so ist? Offenbar ist es im Fußball und Teilen der Fanszene noch nicht angekommen, dass wir zwar (Herren-)Fußballfans sind, dass Frauen allerdings ebenso das Recht haben, in die Stadien zu gehen, zu singen und an der aktiven Gestaltung einer Fanszene und des Sports teilzunehmen. Es gibt genügend Mädels und Frauen, die gerne zur Borussia fahren. Auch sie haben einen festen Platz in der (Nord-)Kurve. Doch das sind Ausnahmen – aber sie dürfen/müssen das ja nicht per se bleiben. Mit dem Verhalten einiger Idioten und dem Auftreten gegenüber Frauen, wie sie jetzt (wieder einmal) aus Gladbach bekannt geworden sind, öffnet man sich in keiner Weise dem weiblichen Publikum!

Männliche Attribute sind im Denken vieler Fans immer noch “Stärke” oder “Mut”. Wer aber wirklich stark und mutig ist, der benennt Probleme offen und der weiß sowieso, dass Stärke, Mut, Vereinstreue, Leidenschaft und Hingabe keinesfalls rein einem Geschlecht zuzuordnende Eigenschaften sind. Wir alle haben nun mehr denn je die Aufgabe, sexistische Verhaltensweisen in unserer Fanszene zu erkennen, zu hinterfragen, zu problematisieren und hoffentlich zu überwinden.

Denn erst, wenn wir das Problem als Basis für derartige Vorfälle erkannt haben, können wir sowas in Zukunft verhindern!

10 Gedanken zu „Redebedarf: Sexismus bei Borussia

  • 18. April 2018 um 12:56
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    Sehr guter Artikel, weiter so.
    Merkwürdig wie leer die Kommentarsektion ist. Das ist sonst nicht so.

    Antwort
  • 18. April 2018 um 15:33
    Permalink

    Ich war entsetzt als ich, begeisterte Nordkurvensteherin, beim letzten Heimspiel die Beschimpfungen
    der sich die erste Schiedsrichterin der Liga ausgesetzt sah, mit anhören musste.

    Das ist um so mehr erschreckend, da Teile der Fanszene bestimmte Werte immer mehr mit Füßen treten.

    In den Reihen der Fußballfans findet man nun zusätzlich zu Rassismus, rechtsradikalem Gedankengut und latenter Gewaltbereitschaft auch noch Sexismus und Frauenfeindlichkeit.

    Sie fackeln gefährlich in Stadien, mobben den eigenen Torwart, in ihren reihen finden sich Vergewaltiger und Exhibitionisten…

    Ich habe die Atmosphäre in unserem Stadion geliebt und ich konnte problemlos auch Songs mit ein bisschen heftigeren Texten mitsingen…aber was momentan abgeht, ist teilweise beschämend und tut mir auch leid für all’ die Fans, die sich manchmal ärgern, immer mitfiebern, überall hinfahren, ihr Herz an den Verein hängen und sich immer an die Grenzen halten!

    Antwort
  • 19. April 2018 um 0:27
    Permalink

    Einfach nur danke! Ein wahnsinnig wichtiger Artikel. Auch wenn F_in – Frauen im Fußball den Artikel vorher nicht kannte, deckt er sich mit eurem in so vielen Punkten. Hut ab und weiter so.

    Antwort
  • 19. April 2018 um 4:03
    Permalink

    der geringe Anteil von Mädchen und Frauen in den Bundesligen-Stadien ???

    mehr als ein Viertel der Zuschauer ist mittlerweile weiblich !

    Antwort
  • 19. April 2018 um 14:14
    Permalink

    Den Vorrednern kann ich mich nur anschließen. Die Beschimpfungen von Frau Steinhaus verurteile ich aufs Schärfste; es ist schon etwas anderes ob “Schieber” oder “Hure” gebrüllt wird. Als Polizistin wird Frau Steinhaus vermutlich nicht die erste Beschimpfung groberer Natur gehört haben, trotzdem ist das ein Benehmen, das ein schlechtes Licht auf die Fanszene von Borussia wirft. Ich habe die Beförderung von Frau Steinhaus in die 1. Liga – die ich für lange überfällig hielt und die von den “Oberen” meines Erachtens nach so lange wie möglich verschleppt wurde – sehr begrüßt.

    Im Gegenzug finde ich es genauso schlimm, wenn Kölner und Kölner Fans – bei aller Rivalität – als “Schwule” bezeichnet werden. Das sind Lieder und Beschimpfungen, bei denen ich nicht mitmachen kann.

    Ich hoffe, dass Texte wie dieser dazu beitragen, dass sich so mancher hinterfragt; befürchte aber, dass es bei einigen entweder nicht ankommt, diese sich im Recht fühlen oder dass es für solche Personengruppen leider irgendwie zu spät ist.

    Sich für Teile der Fanszene von Borussia schämen zu müssen ist… beschämend.

    Antwort
  • 20. April 2018 um 19:54
    Permalink

    ERZIEHUNG ist heutzutage nur noch Glücksache !
    Im Stadion und in der Gesellschaft.
    Übigens, “ nachdenken “
    hat mit geistiger Fittness zu tun.

    Antwort
  • 21. April 2018 um 16:50
    Permalink

    Ich freue mich, dass ihr das “Sexismusproblem” ansprecht.
    Mein Eindruck ist:
    Ja, deutsche Fanszenen sind männerdominiert. Nicht nur zahlenmäßig, sondern auch die Rollenbilder sind, wie man in der Soziologie so schön sagt hetero-normativ geprägt.
    Der Kontext Fußball scheint daraufhin einigen Männern das Gefühl zu geben, ein bestimmtes Männlichkeitsbild exzessiver ausleben zu können/müssen/dürfen, als sie das vielleicht im Alltag tun (vielleicht benehmen sie sich dort aber auch ähnlich). Dazu gehören dann oft auch sexistische Äußerungen. Diese sind wie homophobe oder rassistische Bemerkungen (ja ich weiß, anderes Thema!) in ironische oder humorvolle Hüllen verpackt, sodass sie weitestgehend akzeptiert werden oder zumindest wenige widersprechen.
    Wenn Frauen in einem normalen RE (gestern Abend, von Köln nach MG), das Abteil verlassen, weil sie von männlichen Fans dermaßen abstoßend “angemacht” werden und niemand was sagt dann kann man das durchaus als Sexismus bezeichnen.

    Und wenn dann das Fanprojekt in seiner Stellungnahme vom 18.04. sagt “Die Gladbacher Fanszene hat jedenfalls kein Sexismusproblem”, dann ist das aus meiner Sicht einfach falsch. Ich kann Sexismus beinahe bei jedem Spieltag beobachten, mal “schlimmer”, mal “weniger” schlimm.

    Bis aus Stadien und Anreisewegen Sexismus, Rassismus, Homophobie, etc. verbannt sind wird es wahrscheinlich noch ein wenig dauern. Totschweigen hilft dabei allerdings nicht. Also wünsche ich mir von unserem Fanprojekt einen offeneren Umgang mit dem Thema, als per sé zu sagen, Sexismus gäbe es bei Gladbach nicht. Das trägt nicht zu einer Aufbesserung des Images bei!

    Antwort
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