Europa-Auswärtstour: Traum von Manchester.

Heute Abend tritt Borussia im Champions League-Achtelfinal-Rückspiel bei Manchester City an. Unter gewöhnlichen Umständen für uns Fans ein Fußball-Feiertag, die größte Bühne, das Highlight dieses Jahres. Dieser Tage ist aber wenig gewöhnlich. Weshalb wir der tristen Realität wenigstens für ein paar Minuten entfliehen und in fiktiven Auswärtstour-Erinnerungen schwelgen wollen!

Internationale Auswärtstouren! Wisst Ihr noch was das ist? Dieses ganz besondere Gefühl, wenn man mit den besten Freundinnen und Freunden abenteuerlich per Bus, Auto oder mit dem Flugzeug zu einem Borussia-Spiel anreist. Wir hatten in den letzten Jahren einige dieser ganz besonderen Touren: Sarajevo, Zypern, Sevilla, Istanbul, Bern, Zürich, Barcelona, Villareal, Rom, Florenz, Glasgow und auch Manchester waren dabei. Sportlich waren die Duelle gegen die “Blues” immer eine ziemlich triste Angelegenheit. Die Stadt Manchester hat aber einiges zu bieten. Weshalb wir sie sehr gerne zweimal besucht habe und ganz sicher auch dieses Mal wieder mit von der Partie gewesen wären. Denn aller guten Dinge sind bekanntlich drei!

Ganz sicher hätte eine kleine, aber feine Vorhut unseres Freundeskreises ebenso wie viele andere Borussia-Fans bereits den Sonntag oder Montag zum Aufbruchstag in Richtung Insel auserkoren. Das Credo dieser “Auswärts-Frühstarter” ist ja irgendwie immer das gleiche: In gewohnt zuverlässiger Art versucht man, der später anreisenden Fraktion schon mal einige Aufgabenstellungen wie die Wahl geeigneter Kneipen oder “Sehenswürdigkeiten” abzunehmen. Im Grunde geht es um existenzielle Fragen wie: Was muss man sehen? Wo kann man gut essen? Und wo gibt es die besten (und günstigsteben) Getränke? Im Grunde also eine absolut selbstlose Recherche unter Einsatz des eigenen Körpers und im Geiste der Auswärtsfahrer-Wissenschaft.

Ein typischer Tag auf europäischen Auswärtstouren

Am heutigen Spieltag hätten wir uns dann recht früh auf den Weg gemacht, um ein gutes englisches Frühstück zu uns zu nehmen. Noch heute erinnern wir uns begeistert an einen tristen Morgen im vorweihnachtlichen Dezember 2015 als wir im Rahmen des ersten Manchester-Besuchs eine hervorragende Frühstücks-Lokalität aufgetan hatten, um dort bei Toast, Baked Beans, Fried Egg, Bacon oder Hash Browns amtlich zu versacken. Heute wäre das aber natürlich nicht passiert. Und so wären wir anschließend zu einem lockeren Spaziergang durch Manchester aufgebrochen. Genau diese Momente sind es, die das typische Europa-Auswärtstour-Feeling hervorrufen: Mit einem leichten Kater gemeinsam durch europäische Städte laufen, sich verschiedene Ecken anschauen und mit zunehmender Dauer des Tages immer mehr Borussinnen und Borussen in der Stadt entdecken.

Dabei wären wir wohl auch in Manchester wieder auf zahlreiche bekannte Gesichter getroffen. Das Motto ist immer gleich: kurz quatschen und sich erkundigen, was der Vorabend bei der anderen Seite für grandiose Geschichten bereitgehalten hatte. Daneben die obligatorische Frage: „Welche Kneipe habt ihr euch denn für später ausgesucht?“ Das geniale an europäischen Auswärtstouren ist außerdem: Selbst wer auf unbekannte Gladbacher Gesichter trifft, nickt sich staatsmännisch auf der Straße zu. Irgendwie sind wir Borussia-Fans an diesem Tag ja doch alle in ein- und derselben Mission unterwegs!

Diese gemeinsamen Tage auf europäischen Auswärtstouren haben diese schwer zu beschreibende Dynamik. Irgendwo zwischen Urlaub und Klassenfahrt. Zwischen Kultur und Kneipe. Zwischen den beiden komplett unterschiedlichen Devisen „Wir wollen etwas von der Stadt sehen“ und „Kommt schon, ein schnelles Bier haben wir immer noch getrunken!“ Und natürlich macht es eben diese schwer zu beschreibende Dynamik europäischer Auswärtstouren aus, dass all das irgendwie doch zu vereinen ist.

Nachmittage für die Ewigkeit

Das lang ersehnte Aufeinandertreffen mit dem restlichen Teil des Freundeskreises hätte in Manchester heute Mittag vermutlich in einer Lokalität in der Nähe des Hotels oder Hostels stattgefunden. Dabei hatte die “Vorhut” hier eigentlich „nur ein schnelles Bier“ trinken wollen. Für viele Auswärtsfahrer-Gruppen ist die anschließende Suche nach einem geeigneten Mittagessen ein neuralgischer Punkt: Denn hier können mitunter die ersten Zickereien entstehen. Die einen wollen lieber was “Dreckiges” auf die Faust, die anderen sich gemütlich hinsetzen. Und dann ist da noch Fraktion drei, die sich jetzt doch lieber „noch ein schnelles Bier“ genehmigen würde. Bei genau so einem Getränk hätten wir uns dann als Einheit aber schnell wieder zusammengefunden und wären anschließend zu einem ordentlichen landestypischen Mittagessen aufgebrochen.

Nach der gemeinsamen Stärkung hätten wir dann am frühen Nachmittag die heiße Spieltagsphase eingeläutet: In dieser Zeit (zwischen Mittagessen und Fantreffen) können Nachmittage für die Ewigkeit in den mitunter speziellsten Lokalitäten entstehen. Wir erinnern uns in diesem Zuge gerne ans “Unicorn” in Manchester: ein einzigartiger Pub mit einem unvergleichlichen Mix aus durchschnittlichen Engländerinnen und Engländern (wobei Engländer deutlich überwogen) und zwielichtigen Gestalten. Es sind Orte wie dieser, an den wir ohne Borussia nie gekommen wären, mit dem wir aber trotzdem einige der überragendsten, weil ungezwungensten Stunden verbinden: Gemeinsam in Erinnerungen schwelgen, über das Spiel fachsimpeln und sich durch das breite landestypische Getränke-Angebot kämpfen. In Manchester haben wir erst vor einigen Jahren eines der verrücktesten Auswärtsspiele unseres Fan-Lebens mitgemacht. Wir sind uns sicher: Über dieses Spiel hätten wir auch jetzt wieder verschiedene Stories ausgetauscht.

Der Weg zum Stadion, der Wahnsinn im Gästeblock

Nach intensiven Stunden im Pub wäre es dann – wie üblich bei europäischen Reisen – immer später geworden. Traditionell viel zu spät wären wir aufgebrochen und hätten uns beeilen müssen, noch am Treffpunkt aller Borussia-Fans vorbeizuschauen. Diese Treffen finden stets rund um einen Irish Pub statt. Völlig gleich, ob die Spiele in Italien, Spanien oder eben auf der Insel stattfinden. Obwohl sich uns diese Logik nicht ganz erschließt, weil es meist deutich ortstypischere Alterntiven gibt, schauen wir doch immer mal kurz vorbei. Während einige von uns von hier aus gemeinsam mit Tausenden anderen Borussia-Fans zum Stadion gelaufen wären, hätten einige besonders Faule ziemlich sicher den bequemeren Taxi- oder Bahn-Weg gewählt. Auch das sind häufig die immer selben Gesichter und Gerüchten zufolge soll es häufig Überschneidungen mit der “Ein Schnelles haben wir immer noch getrunken”-Fraktion geben!

Spätestens im Gästeblock hätten wir uns dann aber alle wiedergetroffen. Dort hätten wir mit vielen anderen Fans unsere Borussia lautstark unterstützt. Dass im Stadion von City ohne uns nichts los ist, durften wir ja bereits zwei Mal miterleben. Ganz unabhängig vom sportlichen Geschehen auf dem Rasen, hätten wir die Mannschaft und unseren Verein gefeiert. Ein Achtelfinale im höchsten europäischen Wettbewerb und wir stehen im Stadion und schauen Borussia zu? Sowas hat es seit 1977 nicht gegeben. Die Bilder feiernder Borussia-Fans im Stadion und in der Stadt wären um die Welt gegangen. Es wären Videos hin- und hergeschickt worden und von Zuhause hätten uns Leute geschrieben, wie laut der Auswärtsblock denn schon wieder sei.

Es sind Momente und Stunden, für die wir den Fußball und unsere Borussia lieben. Wir lieben diese internationalen Auswärtstage. Zu denen der Vollständigkeit halber natürlich auch die Blocksperre sowie das Gefühl einer absoluten “Selbstzerstörung” mit Kopf- und Körperschmerzen nach dem Spiel gehören. Am Abend nach den 90 Minuten fühlen viele Auswärtsfahrer eine unfassbare Europapokal-Abend-Lethargie, die sich viel zu spät erst wieder löst. Nicht selten – Ihr ahnt es – in Verbindung mit einem “Schnellen” in einer Kneipe oder einem Pub unserer Wahl. Hier entstehen dann aber auch wieder Geschichten von Weltformat: egal ob in Weinbars in Florenz, in kleinen Eckkneipen in Sevilla, am zypriotischen Strand oder eben auch in Pubs in Manchester …

Zurück in die traurige Realität

Doch das alle bleibt Träumerei und wir müssen uns und Euch leider mit den kommenden Zeilen wieder in die Realität zurückholen. Diese heißt leider: Pandemie! Seit über einem Jahr durften wir kein Spiel mehr als Fan im Stadion verfolgen. Das Feeling einer internationalen Auswärtstour? Gefühlt so weit weg wie Deutschland von einer sinnvollen Impflösung! Deshalb verfolgen wir Fans das Rückspiel gegen City nun vor dem heimischen TV. Die Champions-League-Hymne wird sich falsch anhören und nicht mal ansatzweise das übliche Feeling und Kribbeln entfachen. Übrigens läuft die Hymne bekanntlich im Stadion in Budapest. In Ungarn liegt die 7-Tage-Inzidenz aktuell bei über 500. Aber weil Champions League-Spiele eben um jeden Preis stattfinden müssen, spielt Borussia gegen Man City dort. Was wir davon halten, haben wir erst kürzlich beschrieben.

Sportlich geht es wohl ebenfalls eher um Schadensbegrenzung. Während Manchester City aktuell die vielleicht beste Mannschaft des Kontinentes stellt und die englische Premier League dominiert, könnte Borussia morgen das siebte Pflichtspiel in Folge verlieren. Marco Rose hat das Spiel am vergangenen Freitag bei DAZN praktisch schon abgeschenkt (“kommt unpassend”). Mit ihm coacht unseren Verein weiterhin ein Trainer, der absolut keine Antwort auf den aktuellen sportlichen freien Fall unserer Borussia zu finden scheint und der wegen des Zustandekommens seiner überstürzten Flucht aus Mönchengladbach bei den meisten Fans keinen Rückhalt mehr genießt.

Genau deshalb ist das auf dem Papier bedeutendste Spiel in der Geschichte Borussias, das wir je miterleben durften, emotional wertlos. In dieser Zeit sind es nur Träumereien und Erinnerungen, die uns Fans bei der Stange halten. Erinnerungen von grandiosen Auswärtstouren und Träume von einer Zukunft, die diese Touren hoffentlich alsbald wieder erlaubt. In diesem Sinne: Haltet durch heute Abend! Augen zu und irgendwie durch! Ihr schafft das!

Foto zu diesem Beitrag: Imago via OneFootball

9 Gedanken zu „Europa-Auswärtstour: Traum von Manchester.

  • 16. März 2021 um 14:25
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    Mein Tipp, von welchem ich selbst inständig hoffe (Herz) , dass ich mich dabei irre (Verstand):

    Wir werden in dieser momentan dargebotenen, desolaten Leistungsphase (Abwärtsspirale) tendenziell

    0 : 4

    verlieren.

    Ich würde mich aber tatsächlich auch nicht über ein höheres Ergebnis zu unseren Ungunsten wundern, wenn unser Gegner mit voller Kapelle bis zum Ende spielt.

    Wie der Autor des Ausgangsartikels bereits anmerkte, hat Rose und damit auch Max Eberl dieses Spiel quasi bereits abgeschenkt und man wird “vielleicht dabei” um Schadensbegrenzung bemüht sein.

    Mehr erwarte ich auch wirklich nicht.

    Jetzt wird es tendenziell desaströs und peinlich!

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  • 16. März 2021 um 16:41
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    Vor lauter Bierchen im Text wird mir schon ganz anders. Vor allem, wenn ich an die Brühe in Manchester denke. Andererseits hat der Volltrunkenmodus fast immer im Europapokal 2 ausgesprochen sinnvolle Aspekte: 1. Man musste oft pinkeln und braucht das Spiel nicht in voller Länge gucken. 2. Da es meist eins auf die Nuss gibt, ist der Schmerz erträglicher.
    Sollten heute Wendt, Lang, Zakaria, Wolf, Herrmann und Traoré in der Startelf stehen, könnte es für ManCity eng werden. Damit rechnet selbst Pep nicht.

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  • 16. März 2021 um 17:00
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    Ich glaube zwar nicht, dass unsere Borussia ein 3-0 Sieg einfährt, doch ich bin mir sicher das sie alles geben werden. Man kann doch jetzt wirklich nicht jeden Satz von Rose ausschlachten, verdrehen usw. Wir alle wünschen uns ne andere Lösung als Rose bis zum Schluss. Auch in der Bulli sind es noch 9 Spiele. Ich versuche positiv zu bleiben. Es ist mir auch nicht egal wie die Saison ausgeht. Ich bleibe emotional egal mit welchem Trainer. Ich bin Fan von BMG und nicht von irgendwelchen Trainer oder Spieler…

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      • 16. März 2021 um 23:57
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        Haben sie alles gegeben?Nein nach Noten zu schliessen nicht.Oftmals!
        Damit jegliches Vertrauen verspielt.

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  • 16. März 2021 um 22:27
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    Hallo,
    Und wieder eine weitere Niederlage. Wie oft müssen noch gravierende Verfehlungen folgen?
    Bis das ein Wirtschaftliches Unternehmen,einen Mitarbeiter zur Verantwortung zieht, ganz zu Schweigen der Sportliche Aspekt. Und hier mit einer aber so etwas von lapidaren Antwort zu glänzen, das alles in ordnung sei halte ich für schön Malerei.Für Jeden Fan ist das jedes mal ein herausreißen des Herzens.

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    • 17. März 2021 um 0:02
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      Stimmt vollkommen.In was für einer Welt leben manche?
      Das Vermögen eines Vereins derart an die Wand zu fahren.
      Und das wird mancherorts noch gelobt
      Vorbilder schauen anders aus.Zumindest bisher.

      Antwort
  • 16. März 2021 um 22:30
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    Trinkspiel-Idee: immer wenn ihr „noch ein schnelles Bier“ lest, trinkt nen Kurzen.

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